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Was tun gegen Rassismus in Kitas?

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© Bildagentur PantherMedia / ArturVerkhovetskiy

Der Migrant*innenbeirat Freiburg hat im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus in Freiburg (12. März bis 2. April 2022) eine Veranstaltung zum Thema „Offener und verdeckter Rassismus in Kitas – Was können wir konkret dagegen tun?“ organisiert. In diesem Rahmen hielt Prof.in Dr.in Isabelle Ihring einen Vortrag zum Thema Rassismus bzw. Alltagsrassismus. Der Vortrag diente als Grundlage zur anschließenden Diskussion in Kleingruppen und als kurzer Input, um ins Thema hineinzufinden.

Zwei Professorinnen der Hochschule, Prof.in Dr.in Isabelle Ihring (Jugend und Soziale Arbeit) und Prof.in Dr.in Dörte Weltzien (Kindheitspädagogik), beleuchten hier – ergänzend zum Iinput bei den internationalen Wochen, das Thema (Alltags-)Rassismus aus verschiedenen fachlichen Richtungen. Sie vertreten die Auffassung, dass die Einteilung von Menschen bzw. Menschengruppen in soziale Kategorien anhand etablierter (vermeintlicher) Differenzen, wie Mann/Frau, Schwarze/Weiße usw. zwar dienlich ist, um die Komplexität von Wirklichkeiten zu reduzieren, jedoch nicht frei ist von Wertung.

Im Kontext von Rassismus spielt das Sehen und Bewerten von Hautfarben eine zentrale Rolle, obwohl dies von Anfang an eine sehr schwammige Einordnung war, da es unmöglich ist Menschen eindeutig nach Nuancen ihrer Haut voneinander abzugrenzen und einzuordnen. Es ist nicht möglich eine „Trennlinie zu ziehen und einen Farbteint zu benennen, der einen Menschen „gerade noch“ bzw. „nicht mehr“ weiß oder Schwarz sein lässt.“ (Arndt 2017:33). Trotzdem hat sich diese Idee machtvoll und folgenschwer durchgesetzt und wurde im Zuge der Verwissenschaftlichung von ‚Wissen‘ von Philosophen, Medizinern, Biologen, Ethnologen usw. auf eine vermeintlich ‚objektive‘ Basis gestellt und in Form von Rassentheorien und –lehre verbreitet. Weißsein wurde so zur Norm und in der Hierarchisierung von Hautfarben auf oberste Stufe gestellt, während nicht-weiße Haut mit negativen Zuschreibungen verknüpft wurde.

Auf Grundlage dieser Zuschreibungen an kolonisierte Menschen wurde fortan weiteres ‚Wissen‘ zu ihnen generiert – basierend auf der Vorstellung, dass weiße europäische Kolonisator:innen ‚überlegen‘, ‚zivilisiert‘ und ‚echte Menschen‘ sind. Nicht-weiße Menschen dagegen wurden zu ‚Barbaren‘, ‚Seelenlosen‘, Menschen geringeren Wertes und als ‚naiv-kindliche‘ Wesen konstruiert, weshalb weißen automatisch die Aufgabe zukam und zukommt diese Menschen ‚erziehen‘ und ‚zivilisieren‘ zu müssen.

So haben sich weiße Menschen mittels „des Rassismus die Welt pass-förmig gemacht, um sie zu beherrschen. Rassismus ist daher white supremacy (…)“ (Arndt 2017:34) und die Überlegenheit weißer Menschen hat sich tief in die Köpfe und Strukturen von Gesellschaft(en) eingebrannt.

Alltagsrassismus ist somit nur im Hinblick auf die gewaltvolle lange Geschichte in seiner ganzen Tiefe zu verstehen und zu verändern. Was bedeutet das Wissen und die Reflexion um rassistische gesellschaftliche Verhältnisse in der Arbeit mit Kindern?

Da rassistische Verhältnisse häufig unbewusst reproduziert werden, ist bedeutsam, diese in einem ersten Schritt sichtbar zu machen. Dies kann durch Fragen geschehen: Wie viele nicht-weiße Kinder sind in einem Bilderbuch zu sehen? Welche Rollen haben sie? Wie viele nicht-weiße Erwachsene kommen in einer Geschichte vor? Und welche Positionen besetzen sie? Sind auch nicht-weiße Menschen in erklärenden Positionen zu sehen? Wer sind die Held*innen der Geschichten?

Diese Frage können weitergehen und die Strukturen der Einrichtung hinterfragen: Welche Menschen besetzen die leitenden Positionen? Wie viel Diversität habe ich im Team oder in den Kindergruppen? Spiegelt das Bild gesellschaftliche Verhältnisse wieder? Ist es nicht-weißen Kindern möglich auf nichtweiße Vorbilder zu treffen oder sich in nicht-weißen Kindern wiederzufinden? All das sind Fragen, die im Kontext gesellschaftlicher Ungleichheitsverhältnisse bedeutsam sind, es sollte jedoch nicht auf der Reflexionsebene stehen bleiben.

Eine Möglichkeit der Teamentwicklung in Kindertageseinrichtungen ist der Anti-Bias-Ansatz, der bereits in den 1980er Jahren in den USA für den Bildungsbereich entwickelt wurde (Derman-Sparks & A.B.C. Task Force.,1989) und seit mehr als zwanzig Jahren auch in Deutschland etabliert ist (Preissing & Wagner, 2003).

Auch im Rahmen eines mehrjährigen Praxisforschungsprojekts des Zentrums für Kinder- und Jugendforschung (ZfKJ) an der EH Freiburg wurden Kita-Teams in Freiburg darin geschult, ihr Wissen über die Zusammenhänge zwischen Vorurteilen, Macht und Diskriminierung zu vertiefen (Weltzien et al., 2021).

Die Teilnehmer*innen erweiterten ihre pädagogischen Handlungskompetenzen im Hinblick auf vorurteilsbewusstes, kultursensibles Handeln in der eigenen pädagogischen Beziehungs- und Interaktionsgestaltung, indem sie die Grundlagen des Anti-Bias-Ansatzes anwenden lernten. Mithilfe verschiedener methodischer Zugänge (Videografie, Fallvignetten) lernten sie, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen, ihre Fähigkeiten zur Reflexion systematisch weiterzuentwickeln, sensibel für Vorurteile und Falschinformationen in ihrem pädagogischen Alltag zu werden sowie aktiv gegen Diskriminierung und Ausgrenzung einzutreten. Auf Teamebene wurden Maßnahmen entwickelt, die zu einer gemeinsamen Haltung gegenüber diskriminierenden und rassistischen Tendenzen gegen Kinder und Familien beitragen. Auch wurden mögliche Ausgrenzungstendenzen im Team offen thematisiert.

Literaturhinweise

Arndt, S. (2017): Rassismus. Eine viel zu lange Geschichte. In: Fereidooni/El (Hg.): Rassismuskritik und Widerstandsformen. Springer VS.Derman-Sparks, L. & A.B.C. Task Force. (1989). Anti-Bias-Curriculum: Tools for empowering young children. Washington D. C.: NAEYC.Preissing, C. & Wagner, P. (2003). Kleine Kinder – keine Vorurteile? Interkulturelle und vorurteilsbewusste Arbeit in Kindertageseinrichtungen. Freiburg im Breisgau: Herder.Weltzien, D., Albers, T.; Döther, S., Söhnen, S.A., Verhoeven, N. & Ali-Tani, C. (2021). Inklusionskompetenz in Kita-Teams (InkluKiT). Wissenschaftlicher Abschlussbericht. Freiburg: FEL. http://www.zfkj.de/images/InkluKiT_Abschlussbericht_Online.pdf

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