Das Friedensinstitut dient der interdisziplinären und praxisrelevanten Forschung, Lehre und Weiterbildung in den Bereichen Friedenspädagogik und Friedensarbeit. Es bietet den Studierenden aller Studiengänge und weiteren Zielgruppen Lehrmodule, wie Seminare, Workshops, Trainings und Fachtage, die zu einer Kultur der Gewaltfreiheit und des Friedens beitragen. Diese Bildungsaufgaben orientieren sich an der Förderung von Demokratie und Nachhaltigkeit. Besondere Schwerpunkte liegen in den Bereichen Konflikttransformation, Friedensethik und Friedenstheologie.
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Mit Trauma umgehen und Traumatisierten beistehen – wie kann das gelingen?
Was brauchen Menschen, die durch Flucht, Krieg, Gewalt oder Rassismus traumatisiert sind? Welches Grundwissen über individuelle und kollektive Traumata hilft ehrenamtlich Engagierten und Verantwortlichen in der Arbeit mit Geflüchteten, in der Sozialen Arbeit, im Bildungs- und Gesundheitswesen, in Seelsorge und Beratung, in der öffentlichen Verwaltung und in der Friedens- und Menschenrechtsarbeit weiter? Diesen Fragen widmete sich eine Veranstaltung des Friedensinstituts am 12.01.2023.
Karen Hinrichs begrüßte als Gastgeberin fast siebzig Teilnehmende zur hybriden Veranstaltung online und 18 Teilnehmende vor Ort in Freiburg und führte in die Thematik ein. Die Veranstaltung wurde für die internationale Zuhörerschaft simultan durch professionelle Dolmetscherinnen ins Deutsche und ins Englische übersetzt. Ebenfalls per Video zugeschaltet war die US-amerikanische Psychotherapeutin und Friedenspädagogin Carolyn E. Yoder. Sie entwickelte vor rund 20 Jahren das STAR-Programm (Strategies for Trauma Awareness and Resilience) an der Eastern Mennonite University: ein Trainingskonzept, das sich weltweit in Krisen und Konfliktgebieten bewährt hat. Es soll Menschen, die durch Krieg, Flucht und Gewalt Traumata erlitten haben oder Menschen, die Traumatisierte begleiten, niedrigschwellige Unterstützung bieten.
Yoder weiß aus eigener internationaler Erfahrung, dass die Zugänge zu professionellen Psychotherapien beschränkt sind, umso wichtiger sei, dass die Elemente des Trainings zumindest grundlegende Anhaltspunkte im Umgang mit Traumata und Traumatisierten umfassen. Ebenfalls sind Bestandteile der Aufbau von Resilienz, der Erwerb von Kompetenzen zur Konfliktbearbeitung und die aktuellen Erkenntnisse der Traumaforschung.
Eine tatsächliche Therapie, so Yoder, sei jedoch durch die reine Lektüre ihres Buches über das STAR-Programm nicht zu ersetzen. Das Buch will Aufklärung betreiben und zum praktischen Handeln anleiten. Es erklärt, was individuelle und kollektive Traumata ausmacht, informiert über die Zusammenhänge zwischen traumatischen Erfahrungen und möglichen seelischen Folgen sowohl für Opfer als auch für Täter von Gewalt, erläutert Anzeichen von Traumatisierung und die Gefahr der Retraumatisierung und beschreibt Strategien, um Kreisläufe von Gewalt, Hass und Gegengewalt auf zivilgesellschaftlicher Ebene zu überwinden.
Karen Hinrichs berichtete von eigenen Erfahrungen mit dem Little Book of Trauma Healing im Nordosten Nigerias. Hier, inmitten von Verwüstung, die die Terroristen von Boko Haram hinterließen, habe sie durch das Buch von Yoder im Sommer 2018 das erste Mal von dem STAR-Programm erfahren. Mitglieder der Kirchenleitung der Kirche der Geschwister (EYN), die zwei Jahre zuvor an den zerstörten Sitz nach Kwarhi zurückgekehrt waren, berichteten ihr von der Arbeit, die sie mithilfe des STAR-Trainings in ihren Gemeinden und in den IDP Camps, den Lagern für Binnenflüchtlinge begonnen hatten. Einige der Pfarrer und Mitarbeitenden dieser Friedenskirche hatten sich zuvor in Ruanda zu Multiplikator*innen in der Traumabegleitung ausbilden lassen.
„Bis heute“, so Hinrichs, ist diese Arbeit bitter nötig, denn die Erfahrungen von Terror und Gewalt, Verfolgung und Vertreibung belasten die Frauen und Männer, die Kinder und Jugendlichen meist für ihr ganzes Leben“.
Hinrichs absolvierte bei einem Studienaufenthalt in den USA das STAR -Training zusammen mit Menschen aus vielen Konfliktgebieten, ebenso der mennonitische Pastor Benjamin Isaak-Krauß aus Frankfurt, der bei der Veranstaltung des Friedensinstituts einen Beitrag einbrachte. Beide verwiesen darauf, dass es in Deutschland noch keine vergleichbaren Trainings wie STAR gibt, bei dem Strategien der Traumabearbeitung mit Methoden der zivilen Konfliktbearbeitung und der Gewaltprävention kombiniert werden. Hinrichs betonte den großen Bedarf für diese Form der Friedensarbeit, denn die Zahl der Menschen, die mit traumatischen Erfahrungen leben müssen, steige auch hierzulande: „Es ist wichtig, dass die Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine und anderen Kriegen und Notlagen flüchten müssen und in unseren Kommunen und Kirchengemeinden aufgenommen wurden, gut begleitet werden“. Zudem erforderten weitere Krisen der jüngsten Zeit, einschließlich der Pandemie, einen kompetenten Umgang mit meist versteckten Traumata, gerade im Umgang mit Kindern und Jugendlichen, sowie mit vulnerablen und von Diskriminierung betroffenen Gruppen in unserer Gesellschaft.
Yoder zeigte in ihrem Vortrag und in der anschließenden Diskussion auf, dass Traumata oft gemeinschaftliche Traumata seien und entsprechend auch gemeinschaftlich in Lerngruppen verarbeitet und bearbeitet werden könnten. Die Friedenspädagogin entwickelte und erprobte das STAR- Training kurz nach den Terroranschlägen des 11. September 2001. Ihr Ziel sei es gewesen, eine Art Leitfaden zu schreiben, der in der Sozial- und Bildungsarbeit schnell und ohne große Hürden zum Einsatz kommen könnte. Die praktische Anwendung des Programms hat Yoder inzwischen um Erkenntnisse der Traumaforschung und Psychotherapie ergänzt. Ihr Buch über STAR liegt jetzt in deutscher Übersetzung vor.
Neben Carolyn E. Yoder, Karen Hinrichs und Benjamin Isaak-Krauß sprachen Dr. Marcus Weiand vom Institut ComPax im schweizerischen Bienenberg, der Verleger David Neufeld und Stefan Maass, Friedensbeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Baden. Sie alle haben sich um die Realisierung der deutschen Übersetzung bemüht und sprachen sich in der Diskussion für eine Adaption des erfolgreichen STAR-Trainings im deutschsprachigen Raum aus. Es sei an der Zeit, so Isaak-Krauß, dass auch in Kirchen und Gemeinden Angebote gemacht werden, die das Wissen über Trauma und Traumafolgen vertiefen und die zu einer den gesellschaftlichen Frieden fördernden kirchlichen und sozialen Arbeit beitragen.
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GETI Goes Public! und das Friedensinstitut-Team war dabei

Am 7. September 2022 trafen sich Studierende des diesjährigen Global Ecumenical Theological Institute (GETI) zur großen Abschlussdiskussion im Rahmen des World Council of Churches in Karlsruhe. Neben den etwa einhundert Studierenden aus aller Welt, die während des ganzen WCC in Karlsruhe zu Gast waren und ein gehaltvolles theologisches Programm absolvierten, waren einige Gäste hierzu eingeladen: außer dem Friedeninstitut Freiburg waren etwa Prof. Dr. Michael Quisinsky von der KH Freiburg, Prof. Dr. Dirk Oesselmann der EH Freiburg, das Institut für Ökumenische und Interreligiöse Forschung aus Tübingen vor Ort.
Was ist GETI?
Was ist GETI?
Das Global Ecumenical Theological Institute (GETI) ist ein ökumenisches theologisches Bildungsprogramm des ÖRK und fand erstmals auf der 10. ÖRK-Vollversammlung 2013 in Busan, Südkorea statt. Ein weiteres folgte 2018, organisiert im Rahmen der Konferenz für Weltmission in Arusha, Tansania. GETI bringt junge ökumenische Theologen*innen und Pädagog*innen aus einem breiten Spektrum christlicher Traditionen und allen acht Regionen des ÖRK zusammen, um sich theologisch mit aktuellen Themen auseinanderzusetzen. GETI 2022 in Karslruhe stand nun unter dem Titel “Christ’s Love (Re)moves Borders.” Die jungen ökumenischen Theolog*innen hatten bereits einen einmonatigen Online-Kurs hinter sich und tagten seit dem 28. August vor Ort in Karlsruhe, als wir zur Abschlussdiskussion zur großen Gruppe der Teilnehmenden stießen.Die Gruppe befasste sich in den vergangenen Wochen unter Anleitung renommierter Theolog*innen u.a. mit Themen wie „Healing Memories: Remembering and Transforming Past and Present Wounds at the Border“, “Kairos for Creation: Transcending Boundaries of Anthropocentrism to Affirm the Whole Community of Life” oder “4th Industrial Revolution & AI: Human Identity in the Context of Global Digitisation”.
GETI Goes Public!
Nun war die Öffentlichkeit eingeladen, an der finalen Diskussionsrunde am Ende des ÖRK teilzunehmen, die von Prof.in Dr.in Esther Mombo moderiert wurde. Zu Beginn berichteten vier GETI-Alumni aus Südafrika, Schweden, Argentinien/Kanada und Deutschland über die wertvollen Erfahrungen ihrer GETI-Teilnahmen, über entstandene Lebensfreundschaften und Themen vergangener Versammlungen, die nicht selten zu Forschungsschwerpunkten ihrer theologischen Arbeit wurden.
Prof. Dr. Rudolf von Sinner, Professor für Systematische Theologie, Ökumene und interreligiösen Dialog, geboren in Basel, lebend und lehrend aber in Brasilien, hielt im Anschluss einen beeindruckenden Vortrag über den Russisch-Ukrainischen Krieg aus ökumenisch-theologischer Perspektive: Den ökumenischen Dialog stellte er als Begegnungsraum dar, der eine einzigartige Chance für ein Zusammenkommen verfeindeter Gruppen darstelle. Dem Vortrag angeschlossen war die erste Table Dicussion, in der wir aufgeworfene Fragen des Vortrags in Kleingruppen diskutierten. Einer kurzen Pause folgend referierte Pfarrerin Dr.in Septemmy Lakawa, Professorin am Jakarta Theological Seminary, über „Future Issues in Ecumenical Theological Education“. Dabei betonte sie die soziale und historische Dimension von Trauma als dezidiert christlich-theologisches Thema: Das Kreuz sei ein Symbol des Bruchs und erinnere an das bleibende Leiden von Traumata, Gewalt, Diskriminierung und Krieg, weshalb diese Themen originärer Gegenstand christlicher Theologie sein müssten. Sie forderte die jungen Theolog*innen auf, „Troublemakers for peace“ zu werden. Ihrem Vortrag wiederum angeschlossen waren in Kleingruppen zu diskutierende Fragen, etwa: „What practices and resources do theological schools need to acquire to respond to the challenges they face and to shape the ecumenicity of theological education in the future?”.
Die beeindruckende Versammlung wurde beschlossen durch eine offene Diskussionsrunde, in denen die Teilnehmer*innen von GETI 2022 noch einmal Themen, Eindrücke und Begegnungen der vergangenen Wochen Revue passieren ließen, kritisch und dankbar zurückblickten und gleich Vorschläge für die nächsten GETIs formulierten.
Karen Hinrichs und Konstantin Funk stellten in den Pausen und im Anschluss mit Flyern und Banner das Friedensinstitut der Evangelischen Hochschule Freiburg vor und knüpften zahlreiche internationale Kontakte.
Gleich im Anschluss an das GETI-Treffen veranstalte Karen Hinrichs zusammen mit Prof. Dr. Heike Springhardt, Landesbischöfin der EKiBa, Renke Brahms und Doris Hege ein sehr gut besuchtes politisches Nachtgebet für den Frieden in der Ukraine und in aller Welt in der Neuapostolischen Kirche. Die zentral gelegene Kirche beherbergte vom 1.bis 7. September das Begegnungszentrum Gerechtigkeit und Frieden, in dem ein umfangreiches Programm mit Ausstellungen, Vorträgen und Workshops angeboten wurde. Das Programm war von einer AG vorbereitet worden, der Karen Hinrichs angehörte. Es fand mit dem Politischen Nachtgebet, in dem vier Delegierte des WCC über die Situation in ihren Ländern sprachen, einen geistlichen Abschluss.
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