Gewalt gegen Partner*innen und Kinder ist ein großes Problem in unserer Gesellschaft. Während der Pandemie haben sich die bereits existierenden Herausforderungen für Betroffene und für das Hilfesystem sogar noch verdichtet. Am Beispiel Baden-Württemberg hat dies eine Forschungsgruppe des Freiburger Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Kooperation mit der Evangelischen Hochschule Freiburg, vertreten durch Prof.in Dr.in Gunda Wössner, untersucht. Anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25.11.2024 werden erste Teilergebnisse herausgegeben.
Für die Untersuchung nahm die Freiburger Forschungsgruppe Space, Contexts and Crime die polizeilichen Einsatzdaten der Fälle häuslicher Gewalt in Baden-Württemberg von 2018 bis 2021 in den Blick. Danach sind die Fälle von häuslicher Gewalt während des ersten Lockdowns kontinuierlich angestiegen. Mit den ersten Lockerungen der Restriktionen und über den Sommer hinweg gingen die Einsätze stetig und deutlich zurück. Im zweiten Lockdown war wieder ein steigender Trend nach oben zu erkennen, der allerdings – anders als nach dem ersten Lockdown – nicht mit den Lockerungen wieder zurückging, sondern weiter anhielt. Insgesamt lag das Niveau der Fallzahlen nach dem zweiten Lockdown deutlich höher als vor der Pandemie.
Qualitative Interviews mit Mitarbeitenden von Beratungsstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt, Beratungsstellen für Betroffene partnerschaftlicher Gewalt, von Frauenschutzhäusern, vom Jugendamt oder der Schulsozialarbeit geben ein differenzierteres Bild der Lage wider: Während des ersten Lockdowns gingen die Anfragen dort zunächst zurück – eine Folge der „permanenten Anwesenheit“ von Täter*innen, erschwerter Zugänge zu Hilfsangeboten und sozialer Isolation. Mit den Lockerungen stiegen die Anfragen deutlich an; viele Betroffene hatten sich in der Zwischenzeit mit zusätzlichen psychischen und finanziellen Belastungen konfrontiert gesehen.
Die Studie macht deutlich: Zwar ist es den Hilfeeinrichtungen in der Pandemie gelungen, schnell und flexibel auf die neuen Umstände zu reagieren, etwa durch die Einführung von Telefon- und Online-Beratungen. Die Einrichtungen mussten sich dabei jedoch häufig selbst organisieren und Gelder beantragen, was einen erheblichen Mehraufwand und eine hohe Aus- und Belastung der Mitarbeitenden zur Folge hatte. Um Betroffenen die Unterstützung leisten zu können, die sie benötigen, braucht es verlässliche und dauerhafte Finanzierung, insbesondere auch für nicht-staatliche Hilfeeinrichtungen. Auch bei diesem Aspekt herrscht unter den Interviewten Konsens. „Um Gewalt gegen Frauen bekämpfen zu können, braucht es flächendeckende Präventionsangebote, Sensibilisierung und Aufklärung, eine Stärkung der ländlichen Regionen, Täter*innenprogramme und stabile Netzwerke von Kooperationspartner*innen“, erklärt Natalie Gehringer, Doktorandin im Team.
Quelle: Pressemitteilung des Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht vom 25.11.2024