Eine Frage der Haltung
Die Evangelische Hochschule befindet sich mitten im Prozess, ein Schutzkonzept für Prävention und Intervention zu entwickeln. Ein erster Entwurf ist zum Ende des Wintersemesters 2025 geplant. Das Konzept soll den Schutz aller Hochschulmitglieder – Studierende, Lehrende, Verwaltungsmitarbeitende – und auch von Lehrbeauftragten und Hochschulgästen vor sexualisierter Belästigung, Diskriminierung und Gewalt verbessern und ein respektvolles Klima an der Hochschule fördern.
Vor allem Machthierarchien und Abhängigkeitsverhältnisse begünstigen Missbrauch in Form von sexualisierter Diskriminierung und Gewalt. Und selbstverständlich trifft das auch auf Hochschulen zu. So wenig wie es diskriminierungsfreie Räume gibt, so wenig gibt es Institutionen, die frei von grenzverletzendem Verhalten sind. Das ist die Basis für eine sensible und auch konsequente Haltung. Die Hochschule fordert in ihrem Leitbild der EH Freiburg Haltung und Handlung ein. Dazu gehört etwa der Grundsatz „Chancengleichheit fördern“ und „intern Barrieren und Diskriminierung abbauen“.
Ein Schutzkonzept ist ein ganz zentraler Baustein hierfür. Strukturen für Konflikt- und Beschwerdemanagement gehören ebenfalls dazu, 2019 wurden sie aktualisiert. Die Gewaltschutzrichtlinie der Evangelischen Landeskirche in Baden nimmt die EH Freiburg zusätzlich in die Pflicht. Im Jahr 2020 hat die Hochschule einen Leitfaden „Gegen sexuelle Belästigung und andere Formen der sexualisierten Gewalt“ verabschiedet. Er informiert Betroffene und Ratsuchende zum Beispiel darüber, welche Vertrauenspersonen es an der Hochschule gibt oder wie ein Tathergang dokumentiert wird.
Das neue Schutzkonzept geht weit darüber hinaus. Es setzt auf einen internen Diskurs darüber, wie und wo Diskriminierung und Gewalt entstehen kann, welche tradierten Verhaltensweisen überdacht werden müssen: bei sich selbst wie beim Gegenüber. Es geht um eine erweiterte Analysepraxis und auch um Handlungsmöglichkeiten und -pflichten der Hochschulmitglieder: Wer ist wann schutzbedürftig, wer braucht mehr Informationen? In welchen Alltagssituationen kann Hierarchie ausgenutzt werden? Welche Strukturen und Abläufe begünstigen grenzverletzendes Verhalten? Was kann und muss ich tun, wenn ich von grenzverletzendem Verhalten erfahre?
An der EH Freiburg forschen eine Reihe von Wissenschaftler*innen zu Themen, die das Schutzkonzept tangieren: unter anderem zu Machtstrukturen und -dynamiken, Geschlechtersensibilität, Sexual- und Gewaltkriminalität. Dieser fachliche Hintergrund spiegelt sich auch in der von Anfang an hohen Akzeptanz der Konzeptentwicklung wider. Das Schutzkonzept ist also mehr und anderes als ein „Werkzeugkasten“: Das Zusammenspiel aus Analyse und strukturellen Veränderungen soll über verbindliche Vereinbarungen zu einer Haltung führen, die von allen Hochschulgruppen mitgetragen wird.
Was bisher realisiert wurde: Die Gleichstellungsbeauftragte Prof.in Dr.in Silke Kaiser initiierte die Entwicklung des Schutzkonzepts und leitet den Arbeitskreis, in dem alle Hochschulgruppenvertreten sind. Er wird beratend begleitet durch die Fachstelle Prävention der badischen Landeskirche. Es gab bereits Sensibilisierungsworkshops und Schulungen für Lehrende und Verwaltungsmitarbeitende, und eine hochschulweite Risiko- und Potenzialanalyse mittels Befragungen wurde durchgeführt. Sie soll klären, was schon gut funktioniert und wo die Hochschule noch besser schützen und genauer hinsehen sollte. An den Befragungen haben Personen aus allen Hochschulgruppen teilgenommen. „Eine gute Mischung“, sagt Kaiser, so seien sehr vielfältige Positionen und Erfahrungen benannt worden. Für seine Analysen und Konzepte nutzt der Arbeitskreis die spezifische Expertise von Kaiser sowie Input aus den Landes- und Bundeskonferenzen der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, Konzepte anderer Hochschulen und der Hochschulrektorenkonferenz sowie Know-how von Fachkolleg*innen.
Weitere Informationen zum Thema auf dieser Website
- Konflikt- und Beschwerdemanagement
- Antidiskriminierung und sexualisierte Gewalt
- Leitfaden „Gegen sexuelle Belästigung und andere Formen der sexualisierten Gewalt“, Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt – help, und weitere Infos plus Kontakte
- Gewaltschutzrichtlinie der Evangelischen Landeskirche in Baden