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Der Zugang zu kirchlichen Berufen sollte bundesweit einheitlich werden

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Rektorin Prof.in Dr.in Renate Kirchhoff, Foto: Bernd Schumacher

„Kirchliche Berufe sind attraktiv“, ist Renate Kirchhoff überzeugt. „Sie geben persönlich Sinn, durch sie kann man Kirche und Gesellschaft mitgestalten“. Die Theologin hat sich 14 Jahre lang in der EKD dafür eingesetzt, Diakoninnen bzw. Gemeindepädagogen deutschlandweit den Einstieg in ihren Beruf zu erleichtern. „Unsere Studierenden, die einen kirchlichen Beruf ergreifen wollen, müssen sicher sein können, dass sie bundesweit in jeder Gliedkirche arbeiten können“, so Kirchhoff. Hierfür sind vor allem die Transparenz der Zugangswege, die Vergleichbarkeit von Studiengängen, die Durchlässigkeit zwischen den Gliedkirchen sowie Mindeststandards bei der innerkirchlichen Anrechnung und Anerkennung entscheidend.

Renate Kirchhoff: „Mit der Gemischten Fachkommission der EKD ist es erstmals möglich geworden, Studiengänge, die auf Kirchenberufe vorbereiten, bundesweit zu vergleichen. Dadurch können Unterschiede und Gemeinsamkeiten erkannt werden. Und wir bekommen eine fundierte Grundlage, um Schritte zur Vereinheitlichung dieser Studiengänge zu erarbeiten“. Auf das 2010 durchgeführte Hearing „Berufsprofile und Abschlusszertifikate in Diakonie, Gemeinde und Religionspädagogik“ in Kassel folgte 2011 die Gründung einer Ad Hoc Kommission, ab 2015 firmierte sie als Gemischte Fachkommission (GFK) der EKD. Gewählte Vorstandsmitglieder waren von Anfang an Hochschulrektorin Prof.in Dr.in Renate Kirchhoff und Oberkirchenrat Prof. Bernd-Michael Haese (Nordkirche). Die Geschäftsführung hatte Oberkirchenrätin Dr.in Birgit Sendler-Koschel (EKD).

Qualifikationen von Hochschulen und Fachschulen bundesweit erhoben

Kirchhoff legte großen Wert darauf, Perspektiven und Standards der Hochschulen in die Arbeit der Kommission einzubringen. Diese Aspekte sind entscheidend für Empfehlungen, die den Anstellungsträgern der Absolvent*innen – die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) – noch vorgeschlagen werden. Die Theologin entwickelte Vorlagen für EKD-Texte und verantwortete die zugrundeliegenden Erhebungen: EKD-Texte 118 strukturiert die Landschaft der hochschulischen Qualifikation und EKD-Texte 137.1 bietet eine vergleichende Übersicht über die hochschulischen Qualifikationen und definiert erste Standards. Im Entwurfsstadium sind EKD-Texte 137.2, der die fachschulischen Qualifikationen strukturiert.

Mindeststandards für Nachqualifikationen auch angesichts Fachkräftemangel wichtig

Zum bundesweiten Stand von Nachqualifikationen hat Kirchhoff eine Vollerhebung durchgeführt – unter Mitarbeit von Sabine Weber, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der EH Freiburg. Sie umfasst das gesamte Angebot aller Gliedkirchen der EKD. Ergänzend hat sie Empfehlungen für Mindeststandards der Nachqualifikationen (EKD-Texte 137.3) erarbeitet, die von der Evangelischen Landeskirche in Baden (Ekiba) bereits erfüllt werden. Dort heißen sie ‚Aufbauausbildung’.

Nachqualifikationen führen in der EKD zur Gleichstellung in der Anstellung mit beruflichen Tätigkeiten, für die ein Hochschulabschluss erforderlich ist. „Vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels sind Mindeststandards wichtig. Sowohl für die Kirchen als auch für die Fachkräfte. Denn am Ende geht es um eine qualifizierte Begleitung der Adressat*innen. Nicht alle sind vulnerabel; aber sicher haben alle es verdient, als Menschen mit spezifischen Aufgaben und Lebensthemen wahrgenommen und begleitet zu werden. Dafür ist eine passgenaue Qualifikation unerlässlich“, erklärt Kirchhoff.

Mehrfachkompetenzen sind ein Markenzeichen der Diakon*innen

Ein weiteres Feld der Grundlagenarbeit sind Analysen zum diakonischen Profil und vor allem, wie es gestärkt werden kann. Kirchhoff und Weber haben wieder gemeinsam die Grundlagendaten erarbeitet und zum Beispiel qualitative und quantitative Befragungen diakonischer Einrichtungen durchgeführt. Leitfrage hierfür war, welche Kompetenzen die Fachkräfte und Personalverantwortlichen in den Einrichtungen für erforderlich halten, wenn es darum geht, das diakonische Profil zu stärken.

Kirchhoff: „Die Befragten sind sich einig: es gibt einen enormen Bedarf an teilweise doppelt hochschulisch Qualifizierten. Und neu ist, dass Fachkräfte mit einer grundlegenden beruflichen Qualifikation im Sozial- und Gesundheitswesen gebraucht werden, die ihre theologisch-diakonischen Bereichskompetenzen erweitern. Diese Fachkräfte sind bestens dafür geeignet, ihre Adressat*innen auch in der Entwicklung von Glaubensperspektiven zu unterstützen.“ Für die Qualifikation im profilbildenden Bereich der Diakonie werden im EKD-Text 137.4 Empfehlungen bereitgestellt, die Inhalt, Format und Organisation betreffen.

Renate Kirchhoff hat inzwischen ihre Arbeit in der Gemischten Kommission beendet. Sie engagiert sich jedoch weiter für die Professionalisierung der diakonisch-gemeindepädagogischen Berufe. „Die Kombination von Kompetenzen im Bereich Theologie, Pädagogik und Sozialer Arbeit braucht eine deutlich erhöhte Aufmerksamkeit“, betont Kirchhoff. Diese Mehrfachkompetenzen sind für diakonisch-gemeindepädagogische Tätigkeiten typisch. Aber vor allem sind sie ein Markenzeichen der Diakon*innen, wie die Berufsgruppe in der Ekiba heißt. Ihre Arbeit zeichnet sich durch Alltagsnähe, wissenschaftsbasierte Analyse von Lebenslagen der kirchlichen Zielgruppen und die Entwicklung von passgenauen Angeboten für sich zunehmend diversifizierende Zielgruppen aus. Kirchhoff: „Gerade die Alltagsnähe ist es, die der Glaube braucht. Denn dort entsteht und bewährt er sich.“

Berufliche Freizügigkeit ist das Ziel

Diakon*in ist in Württemberg etwas anderes als in Bayern oder in Baden. „Unsere Studierenden, die einen kirchlichen Beruf ergreifen wollen, müssen wissen: ich kann nicht nur im Ausland arbeiten, sondern auch in jeder Gliedkirche in Deutschland“, sagt Renate Kirchhoff. Für sie ist es besonders herausfordernd, wenn Gliedkirchen an ihren historisch verwurzelten Traditionen festhalten. „So kommen wir nie zu einer einheitlichen Berufsbezeichnung oder zur Freizügigkeit innerhalb Deutschlands“, ergänzt sie.

Die acht Hochschulen in evangelisch-kirchlicher Trägerschaft in Deutschland haben sehr gute Steuerungsmöglichkeiten zur Vereinheitlichung der Curricula von Studiengängen. Denn hier gibt es Erfahrung mit Vereinheitlichung, mit Kooperationen im Angebot von Studiengängen über Hochschulen hinweg. Kirchhoff: „Ein Qualitätsrahmen Gemeindediakonie – in Analogie zum Qualitätsrahmen Soziale Arbeit – wäre ein nächster Schritt.“ Dazu brauchen diese Hochschulen ihre landeskirchlichen Träger und also die Anstellungsträger der Absolvent*innen im Boot. Organisiert sind sie in der REF, der Konferenz der Rektor*innen sowie Präsident*innen der Evangelischen Hochschulen, deren Vorstandsvorsitzende Kirchhoff ist.

Studierende haben eigene Initiative gestartet

Freiburger Studierende der Evangelischen Hochschule haben selbst eine Initiative auf den Weg gebracht, um Standards für bundesweite Zugänge zu kirchlichen und diakonischen Beruflichkeiten voranzubringen. Diese hat zur Gründung des Konvents SERGuD geführt. „Eine starke Stimme der Studierenden, die Dynamik in die Entwicklung der Beruflichkeiten bringt“, wie Kirchhoff findet.

 

Mehr Informationen

EKD-Texte und andere Publikationen zu hochschulischen und fachschulischen Qualifikationen für kirchliche Berufe

  • EKD-Texte 118: stellt erstmals strukturiert alle hochschulischen Qualifikationen zusammen
  • EKD-Texte 137.1: bietet eine vergleichende Übersicht über die hochschulischen Qualifikationen und definiert erste Standards
  • EKD-Texte 137.2: befindet sich im Entwurfsstadium; darin werden fachschulische Qualifikationen strukturiert
  • EKD-Texte 137.3: ebenfalls im Entwurf, wird eine Übersicht über vorhandene Nachqualifikationen enthalten inkl. Empfehlungen für die Mindeststandards von Nachqualifikationen
  • EKD-Texte 137.4: bietet eine exemplarische Übersicht über Inhalte und Organisationsformen von Qualifikationen für den profilbildenden Bereich der Diakonie, einen Einblick in die Bedarfe der Praxis und Empfehlung zur Organisation und zum Inhalt von entsprechenden WeiterbildungenEKD-Texte können hier bestellt werden.

    Erhebungen, die im FEL-Verlag an der EH Freiburg frei zum Download zur Verfügung stehen:

  • Qualifikationen für den profilbildenden Bereich der Diakonie. Eine Erhebung im Raum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renate Kirchhoff & Sabine Weber, 2023, ISBN: 978-3-949777-02-8, FEL-Verlag (kostenloser Download)
  • Nachqualifikationen für eine Anstellung im diakonisch-gemeindepädagogischen Dienst. Eine Studie über die Praxis der Gliedkirchen der EKD, Renate Kirchhoff & Sabine Weber, 2024, ISBN: 978-3-949777-06-6, FEL-Verlag (kostenloser Download)

 

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