Auf ihrer traditionellen Bad Wiesseer Tagung bekräftigen die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs) ihre Forderung nach einer deutlichen Aufstockung bestehender Forschungsförderprogramme für HAWs sowie die Einrichtung einer neuen Innovationsagentur für angewandte Forschung und Transfer. Das enorme Potenzial der HAWs mit ihren über 20.000 Professuren und mehr als einer Million Studierenden ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft.
Zur Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen seien alle Akteure im Wissenschaftssystem gleichermaßen gefordert. Die Stärken der HAWs liegen in ihrem sehr anwendungsorientierten Profil und den hervorragenden Kontakten zu kleinen und mittleren Unternehmen sowie Einrichtungen aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich in den jeweiligen Regionen.
Im Rahmen der Tagung und mit Blick auf die Bundestagswahl diskutierten die hochschulpolitischen Sprecher*innen der Bundestagsfraktionen über die Rolle der HAWs bei der Umsetzung von neuen Erkenntnissen in Anwendungen und Innovationen und damit auch der Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland. Gleich von mehreren Podiumsteilnehmenden wurde die Gründung einer Transfer- und Innovationsagentur vorgeschlagen. Einigkeit herrschte darüber, dass die HAWs bei der Finanzierung von Forschung und Transfer im Vergleich zu den Universitäten und den außeruniversitären Forschungseinrichtungen bisher deutlich benachteiligt wurden und hier dringender Handlungsbedarf bestehe.
Begrüßt wurden die knapp 100 Präsident*innen und Rektor*innen der HAWs durch den Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Michael Meister. In seinen Ausführungen unterstrich er die Bedeutung der HAWs: „Hochschulen für Angewandte Wissenschaften macht so besonders, dass sie als Hochschulen mit starker Anwendungsorientierung eng mit der Wirtschaft und Gesellschaft ihrer Region vernetzt sind.“
Gleichzeitig verwies der Parlamentarische Staatssekretär auf das umfangreiche Engagement des Bundes, z.B. im Rahmen der Bund-Länder-Programme „FH-Personal“, „Innovative Hochschule“ sowie „Forschung an Fachhochschulen und „StartUpLab@FH“. „Ziel dieser Maßnahmen ist es, HAWs zu stärken und ihre Potenziale weiter zu entfalten,“ unterstrich Meister.
Professorin Dr. Becker, die als Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) insbesondere als Vertreterin der erkenntnisgeleiteten Forschung sprach, betonte deren Beiträge zu Innovationen und anwendungsnaher Forschung: „Die mittelbaren und zeitversetzten Wertschöpfungen bester erkenntnisgeleiteter Forschung sind unvorhersehbar und zum Förderzeitpunkt häufig überhaupt nicht abzusehen.“ Sie verwies dabei auch auf die wissenschaftlichen Vorarbeiten des BioNTech-Gründers Professor Dr. Uğur Şahin im Rahmen seiner DFG-Förderung, die den Grundstein für die spätere Entwicklung des BioNTech-Impfstoffs legten. Außerdem erinnerte sie daran, dass Prozesse der Rollenklärung und verstärkten Profilbildung an HAWs helfen könnten, um weitere Gestaltungsspielräume zu erschließen.
Zugleich unterstrich sie, dass zur Lösung der strukturellen Herausforderungen an HAWs ein gemeinsamer Dialog mit allen wichtigen Akteuren des Wissenschaftssystems geboten sei. „Sie alle an einen Tisch zu holen, müsste der nächste Schritt sein.“
Der Sprecher der HAWs und Vizepräsident in der Hochschulrektorenkonferenz, Professor Dr. Karim Khakzar, bestätigte, wie wichtig Grundlagenforschung sei, der gesellschaftliche Nutzen ergäbe sich allerdings erst mit der Umsetzung neuer Erkenntnisse in Innovationen und Anwendungen. „Die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs ist eine Meisterleistung, der Impfstoff muss jedoch auch produziert, transportiert und verimpft werden und unsere Gesellschaft muss auch die sozialen und wirtschaftlichen Folgeprobleme gut meistern. Gerade in der interdisziplinären Ausrichtung, in der Nähe zur Wirtschaft, zu Akteuren aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich sowie zu Bürgerinnen und Bürgern und in ihrer regionalen Verankerung stecken die größten Stärken der HAWs in Deutschland,“ ist Khakzar überzeugt.
In den sich anschließenden Workshops wurden zunächst die Themen rund um eine zukunftsgewandte Lehre erörtert. Neben den Möglichkeiten und Herausforderungen der Lehrgestaltung nach der Coronapandemie wurde auch diskutiert, welche weitergehenden Fähigkeiten eine Hochschule ihren Studierenden vermitteln sollte. Einigkeit bestand darin, dass HAWs zukünftig sehr viel stärker als bisher an der Lehramtsausbildung beteiligt werden sollten und dass der Weiterbildung durch HAWs eine größere Rolle zukommen wird.
Der zweite Tagungstag widmete sich der zukünftigen Gesundheitsversorgung in Deutschland. Professorin Dr. Uta Gaidys, Mitglied im Wissenschaftsrat, referierte zu den Entwicklungschancen der Gesundheitsfachberufe an HAWs und stellte eindrücklich die Notwendigkeit heraus, über eine wissenschaftlich fundierte und gleichzeitig praxisorientierte Ausbildung das Gesundheitssystem fortschrittlich und langfristig zu stärken. Im nachfolgenden Workshop wurden in diesem Kontext die Akademisierung von Gesundheitsfachberufen und die Finanzierung von Gesundheitsstudiengängen diskutiert. Einig waren sich die Referierenden und Teilnehmenden, dass ein weitergehender gesamtgesellschaftlicher Diskurs und eine mehrdimensionale Kraftanstrengung vonnöten seien, um das Gesundheitssystem in Deutschland zukunftsorientiert gestalten zu können.
(Quelle: Presseinformation der Bad Wiesseer Tagung)
Link zur Stellungnahme
www.badwiesseerkreis.de/home/positionspapiere
Weitere Informationen
zur Bad Wiesseer Tagung und den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften sind auf den folgenden Websiten hinterlegt:
www.badwiesseerkreis.de und www.unglaublich-wichtig.de.
Kontakt
Prof. Dr. Karim Khakzar
Präsident der Hochschule Fulda
Sprecher der Mitgliedergruppe der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in der Hochschulrektorenkonferenz
Vizepräsident der HRK
Tel.: 0661-9640 1011, E-Mail: praesident@hs-fulda.de