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Entscheidung in zweiter Instanz: Dilemma des fehlenden Zeugnisverweigerungsrechts

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Helen Breit, Professorin für Wissenschaft Soziale Arbeit, ist überzeugt, dass das Zeugnisverweigerungsrecht elementar für die Soziale Arbeit ist: „Auch unser Rechtsstaat und unsere Demokratie würden davon profitieren."

Helen Breit
Prof.in Dr.in Helen Breit; Foto: photoperspective

„Wir brauchen ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Soziale Arbeit“, ist Prof.in Dr.in Helen Breit überzeugt. Das Vertrauen zwischen Klient*innen und Sozialarbeitenden sei die elementare Grundlage für professionelle Beziehungen und müsse geschützt werden, betont die Professorin.

Im aktuellen Hochschulmagazin ev.olve mit dem Titel „das crazy“, erschienen am 13.10.2025, erläutert sie, warum sie das Zeugnisverweigerungsrecht für unerlässlich hält. Denn Sozialarbeitenden steht – bis auf die Ausnahmen in der Schwangerschaftskonflikt- und Drogenberatung – kein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Breit beschreibt, dass im Oktober 2024 Mitarbeitende des Fanprojekts Karlsruhe in einer zweitägigen Verhandlung vor dem Amtsgericht wegen versuchter Strafvereitelung in 21 Fällen zu je 90 Tagessätzen verurteilt wurden.

Inzwischen fand am 16.10.2025 die Verhandlung vor dem Landgericht Karlsruhe statt, „mit einem überraschenden Ausgang“, sagt Helen Breit. Sie besuchte mit Studierenden der Sozialen Arbeit von der Evangelischen Hochschule Freiburg die öffentliche Gerichtsverhandlung.

Das Verfahren endete mit einer Einstellung nach §153a StGB. Das heißt: Die Angeklagten müssen einen festgesetzten Geldbetrag an eine spezifische gemeinnützige Einrichtung bezahlen und das Verfahren ist mit dieser Entscheidung abgeschlossen.

Helen Breit: „Der Richter verwies in seiner Einordnung darauf, dass das Strafrecht keinen Vergleich vorsehe, eine Einstellung nach §153a StGB komme für ihn einem solchen Vergleich am nächsten. In seinen einleitenden Worten vor Eröffnung der Verhandlung griff er das Dilemma eines fehlenden Zeugnisverweigerungsrechts für Sozialarbeitende auf und verwies darauf, dass dieses – solange der Gesetzgeber nicht die entsprechende Rechtsgrundlage schaffe – mit ausreichend Fingerspitzengefühl von den betroffenen Akteuren vor Ort, z.B. Polizei, Staatsanwaltschaft, Soziale Arbeit, gelöst werden müsse. Und nicht vor Gericht in solchen Verfahren. Den betroffenen Fanprojektmitarbeiter*innen war es ein deutliches Anliegen darauf hinzuweisen, dass die Zustimmung zur Einstellung kein Schuldeingeständnis sei.“

Cover des Hochschulmagazins ev.olve "das crazy"

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Den ganzen Artikel „Wann kommt das Zeugnisverweigerungsrecht?“ lesen: Helen Breit, Professorin für Wissenschaft Soziale Arbeit ist überzeugt, dass das Zeugnisverweigerungsrecht elementar für die Soziale Arbeit: „Auch unser Rechtsstaat und unsere Demokratie würden davon profitieren“.Im Artikel aus der Rubrik „Die große Frage“ leuchtet sie das Thema des Zeugnisverweigerungsrechts umfassend aus, erklärt Hintergründe und vor allem argumentiert sie: „Sozialarbeitende stützen und schützen durch ihre Arbeit mit ihren Klient*innen – ebenso wie beispielsweise Jurist*innen den Rechtsstaat und die Demokratie. Beide Professionen arbeiten jedoch mit unterschiedlichen Mitteln. Gelegentlich begegnet mir der Vorwurf, dass Sozialarbeitende mit einem Zeugnisverweigerungsrecht potenziell Täter*innen schützen würden. Das verkennt das professionelle Handeln im eben thematisierten Spannungsfeld von Hilfe und Kontrolle, reduziert die Debatte auf einzelne Fallkonstellationen und suggeriert, dass Sozialarbeitende, wenn sie mit einem Zeugnisverweigerungsrecht ausgestattet wären, keine Aussagen mehr machen würden.“

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