Björn Kraus wurde am 17. Februar 2021 an der Universität Kassel am Fachbereich Humanwissenschaften im Fach Soziale Arbeit habilitiert. Die von ihm entwickelte Theorie einer Relationalen Sozialen Arbeit hat Kraus in seiner Habilitationsschrift „Zur Entwicklung einer relational-konstruktivistischen Theorie der Sozialen Arbeit“ dargelegt. Verbunden ist mit der Habilitation Kraus‘ Ernennung zum Privatdozenten der Universität Kassel.
Björn Kraus‘ Theorie basiert auf den erkenntnis- und sozialtheoretischen Grundlagen des von ihm seit den 1990er Jahren entwickelten Relationalen Konstruktivismus. Entscheidend für seine Theorie ist die paradigmatische Verwendung der Kategorie der Relation, um sowohl Funktion und Gegenstand wie auch das Professionsverständnis der Sozialen Arbeit zu bestimmen.
Nach Kraus‘ Verständnis ist hierfür zum einen das Verhältnis zwischen Individuen und deren Umwelten relevant. Zum anderen müssen die Individuen in ihrer Funktion als konstruierende Subjekte ebenso beachtet werden wie deren soziale und materielle Umwelten als relationale Konstruktionsbedingungen.
Björn Kraus: „Die Professionalität von Fachkräften erfordert die Fähigkeit, die Adressat*innen in ihren relationalen Lebensbedingungen beachten und unterstützen zu können. Hierzu ist Voraussetzung, dass Fachkräfte verstehen, ob und inwieweit sie sich an der Lebenswelt anderer Menschen orientieren können. Denn sie können diese nicht einfach objektiv beobachten und „reparieren“. Vielmehr müssen sie die Relationalität menschlichen Lebens und damit Menschen in ihren Verhältnissen beachten. Ebenso müssen Fachkräfte die Relationalität fachlichen Entscheidens berücksichtigen: Dabei geht es nicht nur um die Relationen, die beobachtet werden (Menschen in Ihren Verhältnissen), sondern auch um die Relation zwischen den Fachkräften und dem was Sie beobachten, sowie um die Relationen zu den Wissensbeständen, die die Grundlage von Beobachtungen und Bewertungen sind.“
Die Soziale Arbeit ist als wissenschaftliche Disziplin etabliert. Sie stützt sich dabei auf tragfähige theoretische Grundlagen. Kraus zählt hier zu den maßgeblichen Protagonisten der Sozialen Arbeit. Für die Autoren Ernst Engelke, Stefan Borrmann und Christian Spatscheck sind seit den 1990er Jahren Theorieangebote unterschiedlicher Richtung, die sich auf konstruktivistische Perspektiven beziehen, stark verbreitet. Die Arbeiten von Kraus seien, so die drei Wissenschaftler, hierfür ein wichtiger, auch korrigierender, Beitrag gewesen. Sie führen ihn als einen von acht Theoretiker*innen, deren Theorien wesentlich für die Soziale Arbeit zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind.
Helmut Lambers, Herausgeber eines der zentralen Lehrbücher der Sozialen Arbeit*, stellt Björn Kraus‘ mit seiner Theorie der Relationalen Sozialen Arbeit in eine Reihe der maßgeblichen deutschen Wissenschaftstheoretiker*innen der Sozialen Arbeit wie Hans Thiersch, Lothar Böhnisch, Silvia Staub-Bernasconi, Hans-Uwe Otto und Bernd Dewe. Lambers belegt, dass Kraus‘ Theoriebeiträge nicht nur national und international rezipiert werden, sondern auch außerhalb der Sozialen Arbeit etwa „in der Soziologie, Erziehungswissenschaft und der praktischen Theologie“.
Die Habilitation von Kraus dokumentiert auch den aktuellen Stand der Entwicklung vom Radikalen zum Relationalen Konstruktivismus sowie von der systemisch-konstruktivistischen Lebensweltorientierung zu einer Relationalen Sozialen Arbeit.
Die Probevorlesung von Björn Kraus zur „Theoriebildung zwischen normativen Annahmen und empirischen Erkenntnissen“ fand am 17. Februar 2021 statt.
Zur Person
Seit 2005 ist Björn Kraus Professor an der Evangelischen Hochschule Freiburg, seit 2012 hat er die erstmals mit ihm besetzte W3-Profilprofessur Wissenschaft Soziale Arbeit inne, bis 2012 die Professur für Sozialarbeitswissenschaft. Kraus nahm zahlreiche Funktionen in der Hochschulselbstverwaltung wahr, unter anderem als Dekan des Fachbereichs Soziale Arbeit und daran anschließend für ein knappes Jahrzehnt von 2011 bis 2020 als Mitglied des kollegialen Rektorats der Evangelischen Hochschule Freiburg, zuletzt als Prorektor für Forschung und Transfer.
Seine Forschungsschwerpunkte sind Wissenschaft Soziale Arbeit sowie Erkenntnis-, Kommunikations- und Machttheorien. Kraus ist zudem Leiter des Master-Studiengangs Supervision und als Leitungscoach und Supervisor (DGSv, SG) aktiv. Mehr Info zur Person
Mehr Info zur Relationalen Sozialen Arbeit – Publikationen und News
- Kraus, Björn (2019): Relationaler Konstruktivismus – Relationale Soziale Arbeit. Von der systemisch-konstruktivistischen Lebensweltorientierung zu einer relationalen Theorie der Sozialen Arbeit.
Der Band versammelt aktuelle Beiträge des Autors, die zum einen die Entwicklung des Relationalen Konstruktivismus dokumentieren und zum anderen die Erweiterung der systemisch-konstruktivistischen Lebensweltorientierung zu einer Theorie der Relationalen Sozialen Arbeit.Dabei werden sowohl grundlegende Fragen (Beobachtung, Kommunikation, Konflikt, Macht, Hilfe, Kontrolle, Entscheidung, Verantwortung, Subjekt und System) der praktischen und theoretischen Sozialen Arbeit diskutiert, als auch disziplin- und wissenschaftstheoretische Diskurse (zur Funktion Sozialer Arbeit als Praxis und als Wissenschaft) weiterentwickelt. - * Björn Kraus‘ Theorie der Relationalen Sozialen Arbeit in Helmut Lambers Lehrbuch
- Lehrvideoprojekt zu Theorien der Sozialen Arbeit; Interview mit Björn Kraus
Headerbild: Preview des generalsanierten Hochschulhauptgebäudes (nach Eröffnung 2022/23); Studio Scholz_Bauer GbR