Die psychische Belastung von Studierenden nimmt zu, das lässt sich auch in Studien, zum Beispiel der Techniker Krankenkasse, nachlesen. Jüngere Berichte beleuchten die Gesundheit der Studierenden nach der Corona-Pandemie. Ein zentrales Ergebnis: Der subjektive Gesundheitszustand der Studierenden hat sich im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie stark verschlechtert. Sie fühlen sich emotional erschöpft und brauchen Unterstützung, um ihr Studium zu organisieren. Hier setzt das Projekt „Stark studieren!“ an, mit dem die EH Freiburg gleichzeitig Hilfe anbietet und Forschung betreibt. Wir werfen einen Blick in diesen Werkzeugkasten.
„Stark studieren!“ im Überblick
- Laufzeit: April 2023 bis April 2025
- Gefördert von: BARMER Krankenkasse
- Projektteam: Prof.in Dr.in Maike Rönnau-Böse (Projektleitung), Juliane Cichecki (Konzeption und Durchführung von Angeboten) und Shejla Ramadan (Evaluation) als Kernteaman der EH Freiburg, unterstützt von Dr.in Stefanie Pietsch (Angebot Coaching) und in Kooperation mit Prof.in Dr.in Rieke Hoffer (Hochschule Koblenz; Leitung Evaluation)
- Kerngedanke: Mit Partizipation der Studierenden gesundheitsförderliche und resilienzstärkende Angebote konzipieren,durchführen, evaluieren und verbessern. Studierende mitpsychischen Krisen werden durch Ad-hoc-Hilfe unterstützt. Präventionsangebote helfen beispielsweise beim lösungsorientierten Umgang mit Prokrastination (Aufschiebeverhalten) und Prüfungsangst. Durch Forschung werden neue Daten und Erkenntnisse zur mentalen Gesundheit und Resilienzinsbesondere von Bachelor-Studierenden gewonnen.
- Hintergrund: Projektleiterin Maike Rönnau-Böse hat schon untersucht, wie es sich mit der Resilienz von Kitakindern, Schüler*innen und pädagogischen Fachkräften verhält. Es lag also nahe, die mentale Gesundheit der Studierenden an der EH Freiburg in den Blick zu nehmen: „Wir qualifizieren hier angehende Fachkräfte, die später im Beruf andere stärken und schützen.“ Gleichzeitig erlebt Rönnau-Böse, dass die Studierenden selbst zunehmend psychische Probleme haben: Sie kämpfen mit Prüfungsstress, Leistungsdruck, Motivationstiefs oder der Selbstorganisation. Hinzu kommen Belastungen in der Familie und im sozialen Umfeld.
- Das Projekt: Im Mai 2023 wurden die Studierenden erstmals gefragt, was sie brauchen und welche Art von Unterstützung sie sich wünschen. Schon im Oktober desselben Jahres starteten die ersten Angebote. Seitdem wird ausgewertet, angepasst und verstetigt. Rieke Hoffer von der Hochschule Koblenz evaluiert das zweijährige Projekt. Ein Vorteil dieser Aufteilung: Hoffers Koblenzer Studierende, die nicht an den Angeboten von „Stark studieren!“ teilnehmen, fungieren als Kontrollgruppe „Wir wollen nicht nur sehen, was die Studierenden gut finden, sondern auch, was ihre Resilienz nachweislich erhöht“, erklärt Hoffer. Die Studierenden aus Koblenz erhalten zu einem späteren Zeitpunkt die Angebote aus dem Projekt. Valide Ergebnisse gibt es nach dem Projektende 2025, erste Rückmeldungen zu konkreten Maßnahmen zeigen: Die Angebote wirken. Das Feedback hilft außerdem zu verstehen, wo noch Unterstützung fehlt und Prozesse verbessert werden können. „Auf der individuellen Ebene wollen wir die Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit stärken. Wir sehen aber auch die Hochschule als Organisation in der Pflicht, auf die Gesundheit der Studierenden zu achten“, so Rönnau-Böse.
Starke Angebote
Offene Resilienz-Sprechstunde
Die Studierenden haben sich eine unabhängige Vertrauensperson gewünscht, die sie unkompliziert ansprechen können. Juliane Cichecki nimmt sich in ihrer offenen Resilienz-Sprechstunde Zeit für alle, die über Unsicherheiten oder Probleme sprechen möchten. Je nach Fragen, vermittelt sie die Studierenden weiter, zum Beispiel an die psychologische Studierendenberatung des Studierendenwerks. Viele nehmen aber auch eine Resilienzberatung mit weiteren Gesprächsterminen dankbar an.
Zwischenfazit: In einem Großteil der Gespräche geht es allgemein um Stressbewältigung und Probleme mit der Selbstorganisation.
Resilienzberatung und Coaching-Sessions
Es gibt zwei sich ergänzende Angebote von Juliane Cichecki und Stefanie Pietsch: eine Resilienzberatung und individuelle Sessions zu mentaler Gesundheit. Beide unterstützen als Vertrauensperson und Sparringpartner in einer Mischung aus Beratung und Coaching Studierende beim Erkennen und Bearbeiten von Belastungen. Die 1:1-Gespräche (45–60 Minuten) finden als persönliche Treffen in der Hochschule oder online statt.
Zwischenfazit: Die meisten Studierenden nehmen beide Angebote in Anspruch. Vor Prüfungsphasen war die Nachfrage besonders hoch.

Workbooks
Die Workbooks werden zu den Themen erstellt, die in Workshops vertieft werden. Sie enthalten theoretische Erklärungen und Impulse, Reflexionsvorschläge und Anregungen für praktische Übungen. In 1:1-Sessions können die Workbooks als Leitfaden dienen, um gemeinsam Ursachen für Schwierigkeiten zu ergründen und an Lösungen zu arbeiten. In Workshops kommen daraus einzelne Elemente zum Einsatz, die übrigen Inhalte können in Eigenregie vertieft werden. Studierende können mit den Workbooks auch eigenständig arbeiten.
Zwischenfazit: Die Workbooks werden von Studierenden oft ergänzend zu den Beratungen genutzt, um zu Hause an den eigenen Themen zu arbeiten.
Workshop-Reihen zu Prokrastination, Stressbewältigung und Schreibroutinen
Aufbauend auf den häufigsten Problemthemen, die in den Beratungs- und Coaching-Gesprächen zutage traten, sindmehrere Workshop-Reihen entstanden: zum Prokrastinieren, zur Stressbewältigung und zum Abbau von Schreibblockaden. Sie finden online oder in Präsenz statt, begrenzt auf jeweils 25 Teilnehmende. Im ersten Teil geht es um die gemeinsame Ursachenforschung. Zum Beispiel: Woher kommt mein Stress? Oder: Wie lange kann ich etwas aufschieben? Im zweiten Teil werden Bewältigungsstrategien vorgestellt, etwa Atemtechniken zur Entspannung oder die Pomodoro-Technik, eine Methode des Zeitmanagements.
Zwischenfazit: Die Workshops waren schnell ausgebucht, die Resonanz war sehr positiv.
Mentoring durch Studierende
Erfahrene Studierende aus Bachelor- und Master-Studiengängen stehen für Studierende als Ansprechpartner bereit: Sie geben Tipps gegen Prüfungsstress oder erklären Abläufe an der Hochschule, wie etwa die Stundenplanung oder die Vorbereitung auf Praxisphasen. Die Mentor*innen werden geschult, bei Bedarf bekommen sie weitere Fortbildungen und können Supervision in Anspruch nehmen.
Zwischenfazit: Mentor*innen haben bei verschiedenen Anlässen eine wichtige Rolle: Bei einer Infoveranstaltung für Studieninteressierte sind sie auf individuelle Fragen und Sorgen eingegangen und konnten Lösungswege aufzeigen.
Writing Night
Anfang 2024 fand die erste Writing Night von 19 bis 24 Uhr in der EH Freiburg statt. Es ging darum, sich auf das gelingende Schreiben von Haus- und Abschlussarbeiten einzustimmen: weniger Ängste und Blockaden, mehr Kontrolle und Gelassenheit, vielleicht sogar neue Freude am Schreiben als vertieftem wissenschaftlichen Arbeiten. Rund 80 Studierende kamen zusammen, schalteten die Handys aus und fokussierten sich auf ihre Fachtexte. 30-minütige Schreibphasen wechselten sich mit Pausen und Bewegungseinheiten ab, es gab Catering und im Raum der Stille konnte angeleitet meditiert werden.
Zwischenfazit: Das Format kam sehr gut an, Studierende aus allen Studiengängen und Phasen des Studiums haben es genutzt.
Online-Atlas für Beratungsstellen
Ein bislang erst angedachtes Werkzeug ist ein digitaler Mental-Health-Atlas, der Beratungsstellen und Ansprechpartner*innen im Raum Freiburg enthalten soll. Der Plan ist: Bis Frühjahr 2025 steht er auf dem hochschuleigenen Ilias-Server allen Studierenden zur Verfügung.
Text: Dirk Nordhoff

