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Freiburger Gleichstellungsbericht untersucht erstmals Pflege und Vielfalt zusammen

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Symbolbild: © PantherMedia / Kanghyejin

Der erste Teil des Freiburger Gleichstellungsberichts wurde inzwischen veröffentlicht, nachdem er am 23. Juni 2022 im Gemeinderat beraten wurde. AGP Sozialforschung, ein Forschungsinstitut an der Evangelischen Hochschule Freiburg, hat den Bericht 2021/2022 unter Leitung von Prof. Dr. habil. Thomas Klie erarbeitet.  Studierende der Hochschule haben bei der Recherche zur Sensibilität Freiburger Altenhilfeeinrichtungen zu Fragen von LSBTIQ mitgearbeitet.

Thomas Klie: „Die Relevanz des Themas sexuelle Vielfalt und Alter wird oft unterschätzt. Umso wichtiger, dass nun auch die Stadt Freiburg sich diesen Fragen widmet.“

Die Bundesregierung hat jeweils in den letzten drei Legislaturperioden einen Gleichstellungsbericht erarbeiten lassen. Sie unterstreicht damit die Bedeutung des Themas Diversität für eine plurale Gesellschaft. Die Gleichstellungsberichte verweisen aber auch auf Mängel in der Umsetzung der Prinzipien in Bezug auf Diversität in vielen gesellschaftlichen Feldern. Vielfalt, auch und gerade die Themen Gendergerechtigkeit, geschlechtliche und sexuelle Vielfalt, werden zumeist mit dem Fokus jüngere Generationen aufgegriffen, kaum jedoch beim Thema Alter und Pflege.

„Umso bemerkenswerter ist es, dass im Gleichstellungsbericht der Stadt Freiburg diesem Thema besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird“, stellt Professor Klie fest. Während dem Amt für Soziales die fachliche Zuständigkeit für das Thema Pflege und Alter zukommt, hat die Geschäftsstelle Gender & Diversity das Thema Pflege im Sinne antidiskriminierender und menschenrechtlicher Aspekte aufgegriffen – in enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem Amt für Soziales.

Wenn im Bericht von Pflege die Rede ist, ist nicht nur Pflege im Sinne professionellen Pflegehandelns und der Wahrnehmung von pflegefachlichen Aufgaben angesprochen. Pflege im Sinne von Care, von Sorgetragen für vulnerable Personengruppen, reicht wesentlich weiter. Es geht um alle Aspekte, die im Pflegebedürftigkeitsbegriff des SGB XI, vor dem Hintergrund von Einschränkungen in der selbstständigen Lebensführung, Berücksichtigung finden und gewährleisten sollen, pflegebedürftigen Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Der Genderaspekt ist einer der wesentlichen Vielfaltsaspekte im Pflegekontext. Sowohl die Pflegenden –informell und beruflich –sind überwiegend Frauen als auch die auf Pflege angewiesenen Menschen. Die Belastung pflegender Angehöriger wird zwar immer wieder zum Thema gemacht, aber nicht systematisch mit dem Fokus Gendergerechtigkeit. Das Thema Vereinbarkeit wird auch und gerade in der Pflege inzwischen großgeschrieben –sowohl unter dem Aspekt der Ermöglichung der Beteiligung an Pflegeaufgaben in Familien und Haushalten, als auch unter dem Gesichtspunkt der Personalarbeit in Einrichtungen des Gesundheitswesens und der Pflege für die dort Beschäftigten.

Es gilt aber auch für die Stadt Freiburg zu prüfen: Sind unabhängig von demografischen Unterschieden in der Lebenserwartung von Männern und Frauen systematische und konsequente Bemühungen angegangen worden, Aspekte der Geschlechtergerechtigkeit in der Pflege zu realisieren? Weniger thematisierte Fragen der Geschlechtergerechtigkeit betreffen im Übrigen auch die Live-Ins in Freiburger Pflegehaushalten. Fragen der Gendergerechtigkeit wurden und werden eher für junge Frauen aufgegriffen. Das Thema Alter und Pflege sowie Gendergerechtigkeit war und ist kein Thema, das systematisch und mit entsprechender politischer Aufmerksamkeit zum Thema gemacht wurde. Insofern lässt sich für die Universitätsstadt Freiburg festhalten, dass es einen gewissen „Gap“ gibt zwischen wissenschaftlicher Befassung mit Fragen der Gendergerechtigkeit – auch im Alter, selten in der Pflege – und der Relevanz des Themas in der Stadtgesellschaft. Dabei darf insgesamt nicht verkannt werden, dass die Beteiligung von Männern an Pflegeaufgaben in ihrer Bedeutung zugenommen hat. Thomas Klie: „Ihre Würdigung, ggf. auch die Flankierung von Pflegenden männlichen Geschlechts, aber auch von jungen Menschen, könnte und sollte, wie in der Vergangenheit geschehen, auch in Freiburg aufgegriffen werden.“

Inhalt des Gleichstellungsbericht zu Pflege und Vielfalt

  • In diesem Bericht wird in Kapitel 2 ein Überblick über den fachlichen Stand zu verschiedenen Vielfaltsdimensionen und ihrer Bedeutung in der Langzeitpflege gegeben. Grundlage hierfür sind überwiegend bundesweit vorliegende Daten und Erkenntnisse. Dabei werden in den einzelnen Unterkapiteln drei Perspektiven aufgegriffen, sofern hierbei in der fachlichen Debatte relevante Unterschiede bzw. Benachteiligungen entlang der entsprechenden Vielfaltsdimension diskutiert werden: Auf Pflege angewiesene Menschen (Pflegebedürftige), (pflegende) Angehörige sowie beruflich Pflegende.
  • Am Ende der Teilkapitel wird – soweit für AGP Sozialforschung anhand der zu Verfügung stehenden Unterlagen und eines Austauschs mit dem Seniorenbüro mit Pflegestützpunktverfügbarin einer kurzen tabellarischen Übersicht eine Annäherung an die Befassung mit Vielfaltsthemen in der Pflege in Freiburg versucht.
  • Kapitel 3 gibt die explorativen Befunde zum Thema LSBTTIQ in Freiburg auf der Grundlage von Interviews von Studierenden der Evangelischen Hochschule Freiburg im Sommersemester 2021 wieder.
  • In Kapitel 4 erfolgt eine kurze Zusammenfassung sowie ein Ausblick.

Bericht online

Weitere Informationen

Auftraggeber*in des Berichts
Stadt Freiburg im Breisgau
RfC – Geschäftsstelle Gender & Diversity
Rathausplatz 2-4, D-79098 Freiburg i. Br., Tel: +49 (0) 761/201-1900, gender-diversity@stadt.freiburg.de, www.freiburg.de/gender-diversity

Auftragnehmer
AGP Sozialforschung im Forschungs- und Innovationsverbund FIVE e. V. an der Evangelischen Hochschule Freiburg, Bugginger Straße 38, 79114 Freiburg
www.agp-freiburg.de

Verfasser*innen
Prof. Dr. habil. Thomas Klie, Pablo Rischard, Dr. Christine Moeller-Bruker
Unter Mitarbeit von Tabea Knerner

Unter fachlicher Mitwirkung von
Stadt Freiburg im Breisgau
Amt für Soziales, Seniorenbüro mit Pflegestützpunkt, Fehrenbachallee 12, 79106 Freiburg, Tel: 0761 201 3030, afs@stadt.freiburg.de

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