Forschende der EH Freiburg untersuchen, ob die Stadt ein queeres Jugendzentrum braucht. Dafür erheben sie, welche Angebote bereits existieren und welche Bedarfe queere junge Menschen in Freiburg noch haben.
Das Projekt
Bedarfsanalyse und Konzeptentwicklung für ein queeres Jugendzentrum in Freiburg
- Projektleitung: Prof.in Dr.in Nina Wehner
- Wissenschaftliche Mitarbeit: Dr. des. Annika Spahn, Institut für Angewandte Forschung (IAF) der EH Freiburg
- Wissenschaftliche Hilfskräfte: Bente Schulte Westenberg, Leo Dejaeger, Judith Brodbeck
- Auftraggeber: Amt für Kinder, Jugend und Familie der Stadt Freiburg
- Laufzeit: 02/2024 bis 10/2024
Hintergrund: Queere Jugendliche erleben häufig Diskriminierung und Gewalt – auch in der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Daher haben sie einen erhöhten Unterstützungsbedarf. Zur Verbesserung der Situation sind verschiedene Optionen denkbar: ein queeres Jugendzentrum, ein soziokulturelles queeres Zentrum, in dem auch Kinder- und Jugendarbeit stattfinden könnte, oder der Ausbau sensibilisierter Angebote in der bestehenden, allgemeinen offenen Kinder- und Jugendarbeit.
Ziel: Ein Team der EH Freiburg untersucht, welche Bedarfe junge queere Menschen formulieren und welches Modell am besten geeignet ist, um diesen zu entsprechen. Die Forschenden analysieren dafür die Bedarfe und Wünsche von queeren Kindern und Jugendlichen, Stadtverwaltung, queerer Community und Anbietern der offenen Kinder- und Jugendarbeit sowie deren Emotionen und Einstellungen zu den verschiedenen Optionen. Ausgehend von den Ergebnissen entwickelt das Team ein Konzept für die queere Kinder- und Jugendarbeit.
Forschungsdesign: Multiperspektivischer Ansatz: Onlineumfragen mit queeren Menschen zwischen 14 und 21 Jahren, mit Erziehungsberechtigten queerer Kinderund Jugendlicher sowie mit queeren Menschen über 21 Jahren, anschließende Vertiefung in Gruppendiskussionen; runder Tisch mit Akteur*innen aus Stadtverwaltung, offener Kinder- und Jugendarbeit und queerer Community; Erhebung der bestehenden queeren und queerinklusiven Angebote in Freiburg sowie Recherche zu queeren Jugendzentren in vergleichbaren Städten.
Fragen an Annika Spahn
Frau Spahn, gibt es bereits Forschung zu queeren Jugendzentren? Annika Spahn: Vor kurzem lief in Wien eine Studie mit der gleichen Fragestellung: Braucht Wien ein queeres Jugendzentrum? Meines Wissens sind das die ersten Studien im deutschsprachigen Raum zu diesem Thema. Es gibt aber Untersuchungen zum Freizeitverhalten queerer Jugendlicher, zu ihren Erfahrungen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit und zu ihren Bedarfen. Darauf können wir aufbauen.
Warum richtet sich die Umfrage auch an ältere queere Menschen? Unsere Hauptzielgruppe sind queere Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren. Aber voraussichtlich werden auch ältere Personen ein queeres Jugendzentrum besuchen. Mit Anfang 20 ziehen viele von zu Hause aus, kommen vielleicht neu in Freiburg an und brauchen dann noch Unterstützung: in Form von Ansprechpartner*innen, Orten, an denen sie sie selbst sein können usw.
Wie sind Sie vorgegangen, um die Zielgruppen zu erreichen? Wir haben unser Projekt mit einem runden Tisch begonnen, einer Gruppendiskussion mit Akteur*innen der Stadtverwaltung, der Kinder- und Jugendarbeit und der queeren Community. Dabei konnten wir effizient viele Informationen für unsere Untersuchung generieren und gleichzeitig unser Projekt bekanntmachen. Dadurch haben wir eine hohe Rücklaufquote: Bei einer der Onlineumfragen haben etwa 400 junge Menschen teilgenommen und ausführlich auf die Fragen nach ihrem Freizeitverhalten geantwortet. Das heißt: Wir erreichen genau die Menschen, die wir erreichen wollen.
Haben Sie außer soziologischen Methoden auch Werkzeuge aus anderen Disziplinen angewendet? Unter anderem haben wir uns mit den „6 Denkhüten“ des Kognitionswissenschaftlers Edward de Bono auseinandergesetzt. Man betrachtet dabei ein Thema aus sechs verschiedenen Blickwinkeln, zum Beispiel aus der Perspektive von Menschen, die sich von ihren Gefühlen leiten lassen. Mit dieser Methode haben wir einen guten Gesprächsleitfaden für den runden Tisch entwickelt.
Sie sind für dieses Forschungsprojekt als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an die EH Freiburg gekommen. Wie gestaltet sich die Arbeit im Team? Unser Team besteht aus fünf Personen: Professorin Nina Wehner, drei wissenschaftliche Hilfskräfte und ich. Bei unseren wöchentlichen Teamtreffen diskutieren wir alle Arbeitsschritte im gesamten Team. Ich profitiere sehr davon, dass zum Beispiel Geschlechterforschung und qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung zu den Arbeitsschwerpunkten von Nina Wehner gehören. Ich bringe – zusätzlich zu meiner wissenschaftlichen Arbeit insbesondere in Soziologie und Gender Studies – zwölf Jahre Erfahrung in der Tätigkeit mit queeren Jugendlichen ein. Und ich bin in der Freiburger queeren Community sehr gut vernetzt.
(Text: Stefanie Hardick)