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Eröffnung Akademisches Jahr 2022/23 mit Preisverleihungen: „Wir sind eine Hochschule, die einen Beitrag zur Demokratiefähigkeit der Gesellschaft leistet.“

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am Rednerpult: Rektorin Prof.in Dr.in Renate Kirchhoff; Foto: Marc Doradzillo

Die Evangelische Hochschule lud am 3. November 2022 wieder zur Eröffnung des Akademischen Jahres ein. Dieser Termin entfiel wenige Male aufgrund der Corona-Pandemie und der Generalsanierung des Hochschulhauptgebäudes. So eröffnete Rektorin Prof.in Dr.in Renate Kirchhoff auch den Abend mit den Worten: „Die Sanierung des Gebäude A war ein Großprojekt. Anders als bei staatlichen Hochschulen ist hier nicht das Amt für Vermögen und Bau – und also das Land Baden-Württemberg – zuständig. Vielmehr: Verantwortung und Finanzierung lagen und liegen ganz bei unserem Träger, der Evangelischen Landeskirche in Baden. Ihren Leitungs- und Entscheidungsgremien sind wir sehr dankbar: Wir verstehen diese Investition als ein Statement, mit dem die Landeskirche sagt: „Weiterentwicklung von Gesellschaft ist und bleibt ein Auftrag von Kirche, zu dem wir auch mit den Mitteln einer Hochschule beitragen!“.

Während der Sanierungphase von 2020-2022 konnte die Hochschule das kurz zuvor fertgiggestellte Studierendenwohnheim des Studierendenwerks Freiburg auf dem Campus für Lehrveranstaltungen und Büros nutzen. Renate Kirchhoff: „Die Gestaltung der Verträge zwischen dem Träger, der Stadt Freiburg und dem Studierendenwerk Freiburg basierte auf gemeinsamen Zielen: der Fortsetzung der Aufwertung des Standortes hier in Weingarten, der Nutzung der Flächen für studentisches Leben einschließlich der Vereinbarkeit von Studium bzw. Beruf und Familie durch eine Kita. Alle Beteiligten haben mit Engagement, Ehrgeiz und langem Atem das gemeinsame Projekt erfolgreich auf den Weg gebracht. Dafür danke ich sehr herzlich.“ Momentan wird das von der Hochschule zwischengenutzte Wohnheim für einen Bezug durch Studierende fertiggestellt und planmäßig zum Sommersemester 2023 bezogen werden können.

Lehre, Forschung und Transfer fördert Friedensfähigkeit

Rektorin Kirchhoff machte auch die kriegerische Invasion Russlands in die Ukraine zum Thema. „Dieser Krieg ist bei uns in Deutschland präsent vor allem in Form von Debatten um die Kosten, die er und die Investition in den Militärbereich betragen. Bei uns an der Hochschule ist unter anderem die Situation der Geflüchteten präsent in den Studiengängen: Studierende sind in Transferprojekten engagiert, Studierende mit Fluchterfahrung fädeln wir in den Bachelor Soziale Arbeit ein, wir beforschen die Lebenslagen und Wünsche der Geflüchteten, Studierende gestalten Kommunikationssituationen etwa in Kitas, in denen die Folgen der Ungleichbehandlung von Geflüchteten aus der Ukraine einerseits – aus Syrien und Afghanistan andererseits – ein alltägliches Konfliktpotential darstellt.“

Wenige Tage nach Beginn des Kriegs Ende Februar 2022 startete die Hochschule den neuen Master Friedenspädagogik/ Peace Education – ein „Produkt“ des Friedensinstituts, eröffnet im Januar 2020. „Diese Möglichkeit wurzelt im Friedensethischen Beschluss der Landessynode von 2013. Ein Element des Maßnahmenpaketes folgt dem Ziel, Themen der Friedensarbeit systematisch in die eigene Bildungsarbeit aufzunehmen. Dass dieses Institut bei uns eingerichtet werden konnte, ehrt uns und spornt uns an. Denn es erweitert unsere Möglichkeiten, mit Lehre, Forschung und Transfer zur Friedensfähigkeit der Gesellschaft beizutragen“, so Kirchhoff.

Hochschule leistet Beitrag zur Demokratiefähigkeit der Gesellschaft

„Eine andere Qualität hatten Reaktionen auf eine Veranstaltung im Mai dieses Jahres, die das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zum Gegenstand hatte. Das BVerwG hatte im Januar 2022 geurteilt, dass Nähe zur BDS-Bewegung – einer Bewegung, die aufgrund der Palästinapolitik des Staates Israel für Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen ihn eintritt – kein hinreichender Grund für den Entzug von öffentlichen Räumen ist, und dass dieser Raumentzug die Meinungsfreiheit verletzt. Die Ankündigung unseres digitalen Podiums zum Urteil des BVerwG hatte – neben einem sehr großen Interesse – den Antisemitismusvorwurf gegen die Hochschule sowie Einzelpersonen zur Folge. Der Vorwurf erhielt am Tag vor der Veranstaltung rasant bundesweite politische und kirchliche Reichweite.

Es ist keineswegs neu, dass es eine Ächtungskultur gibt: man darf bei uns schon lange sagen, was man will, man musste aber schon immer mit sozialen Folgen rechnen. Auch dass Hochschulen ein hervorragender Ort sind, auch in scharfer Weise zu diskutieren, ist nicht neu“, erklärte die Rektorin und führte weiter aus: „Neu ist zweierlei: 1.) es beteiligen sich mehr Menschen vor allem durch die so genannten sozialen Medien an den Diskursen darüber, was ein akzeptabler Meinungskorridor ist und was nicht. Das Netz scheint zu einer schnellen Positionierung – für oder gegen – zu zwingen. Es scheint nur noch richtig oder falsch zu geben. Auch Vertrauensträger – moralisch akzeptierte Gruppen oder politische Funktionsträger – geraten in den Sog des Zwangs zur schnellen Positionierung. Geschwindigkeit ist zu einem zentralen Faktor geworden. Dadurch lassen sich 2.) Folgen der so generierten Empörung und Irritation nicht mehr beeinflussen. Auch einige langjährige Kooperationsinstitutionen – darunter auch solche, mit denen wir seit vielen Jahren in der Prävention von Antisemitismus zusammenarbeiten – waren verunsichert durch die medial präsente These, wir hätten mit unserer Veranstaltung einen demokratischen Meinungskorridor verlassen“.

Rektorin Kirchhoff war es besonders wichtig zu betonen, dass auch in der Hochschule selbst engagierte und kontroverse Debatten geführt wurden. „Das ist typisch Evangelische Hochschule, aber das macht auch eine Hochschule aus und muss möglich sein. Uns ist klar: solange wir zu Themen arbeiten, die einen Bezug zum Israel/Palästinakonflikt haben, zu Rassismus, Kolonialismus und Klassismus in Geschichte und Gegenwart, ist das riskant. Wir können das Risiko einer solchen Eskalation aus Ressourcengründen allenfalls dosieren, nicht aber vermeiden. Wir verstehen uns als Hochschule, die einen Beitrag zur Demokratiefähigkeit der Gesellschaft leistet“, so Kirchhoff.

Promotionsrecht für HAW

Das neue Promotionsrecht für Hochschulen für Angewandte Wissenschaften war ein weiteres Thema der Eröffnungsansprache. „Das Promotionsrecht wurde in Baden-Württemberg befristet für sieben Jahre einem Verband verliehen, in dem 21 staatliche und drei HAW in kirchlicher Trägerschaft Mitglied sind. Dieser hat gerade ein Promotionzentrum gegründet, in dem besonders forschungsstarke Professor*innen dieser 24 Hochschulen Mitglied sein können. Die Zugangskriterien sind anhand eines Kennzahlensystems des Center of Applied Research (BW CAR) konzipiert. Im Schnitt sind acht Prozent der Professor*innen einer Hochschule Mitglieder im Promotionszentrum.

Das Promotionsrecht ist aus zwei Gründen wichtig. Zum einen: es soll die Forschungs- und Betreuungsleistung der Kolleg*innen als ihre Leistung und als Leistung der eigenen Hochschule sichtbar werden. Das wird mit dem Promotionsverband erstmals gewährleistet sein. Bei den individuellen Lösungen, der Kooptation und ihrer abgespeckten Variante, der Assoziierung, ist das nämlich nicht der Fall. An den HAW in BW sind auf den weitgehend unsichtbaren Wegen über 600 Promotionen allein von den Professor*innen betreut worden, die in den letzten Jahre eine Mitgliedschaft in BW CAR erworben haben; bei uns sind es 71, derzeit werden 36 Doktorand*innen von Professor*innen der Hochschule betreut. Also, ganz wichtig: Wir fangen nicht erst an, sondern es gibt nun zusätzlich zu den individuellen Möglichkeiten einen strukturierten Weg. Zum anderen: die Hochschulart hat seit den 1980er Jahren einen Forschungsauftrag; den Absolvent*innen unserer forschungsorientierten Master wollen wir auch forschungsorientierte Karrieremöglichkeiten bieten, und zwar in ihren eigenen Fächern, die es fast nur an HAW gibt, Soziale Arbeit, Pädagogik der Kindheit etwa. Davon versprechen wir uns einen Professionalisierungsschub, der unmittelbar gesellschaftlich relevant ist“, führte Renate Kirchhoff aus.

Rektorin Kirchhoff schloss ihre Ansprache mit der Forderung, dass die HAW einen angemessenen Zugang zu Forschungsmitteln bräuchten. „Derzeit gehen weniger als 0,5% der 3,3 Milliarden Euro, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) jährlich bewilligt, an die HAW und das obwohl fast die Hälfte aller Studienanfänger*innen ihr Studium an einer HAW aufnehmen und sie 22.000 Professor*innen beschäftigen. Das muss sich ändern, auch wenn DATI kommt: Die Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, mit der Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) Forschungsleistungen kleiner und mittlerer Hochschulen zu fördern, und zwar auch solche, die soziale Innovationen in Kooperation mit der Sozialwirtschaft für die Gesellschaft generieren. Wir versuchen nach Kräften darauf hinzuwirken, dass auch in unserer Region die HAW angemessen profitieren und auch wir als HAW in kirchlicher Trägerschaft Mittel zum Wohle der Gesellschaft nutzen zu können“.

Auszeichnung mit Preisen

Traditionell werden im Rahmen der Eröffnung des Akademischen Jahres auch Preise vergeben. Erstmals hatte die Hochschule einen Lehrpreis ausgelobt. Dieser Preis ist einer von mehreren Maßnahmern im Rahmen von SocialPROfit (FH-Personal, BMBF) zur Personalentwicklung und -bindung.

Professorin Katrin Toens mit Lehrpreis ausgezeichnet (Bildmitte); Foto: Marc Doradzillo

Prof.in Dr.in Katrin Toens ist Trägerin des Lehrpreises 2022 der Evangelischen Hochschule Freiburg. Überzeugt hat sie mit ihrer Lehrveranstaltung „Transkulturelle und politische Vermittlung von Innovationen: Eine Curricular verankerte Studienfahrt ins Ausland“ im Master-Studiengang Soziale Arbeit. „Nicht die Studienfahrt ist hier die Innovation per se – es ist das schlüssige Konzept, das Katrin Toens hier vorlegt: die ineinandergreifenden und verwobenen Bausteine auf hohem Niveau“, betonte die Preis-Jury. Prorektorin Prof.in Dr.in Stefanie Engler hielt die Laudatio. Mehr Info: zum neuen Lehrpreis, zur ausgezeichneten Lehrveranstaltung und zur Begründung der Jury.

Sowohl Studienleistungen wie das besondere soziale Engagement von sechs Studierenden der Evangelischen Hochschule wurde ausgezeichnet. Annika Hellmann und Christian Meier erhielten den Preis des Diakonischen Werks der Evangelischen Landeskirche in Baden (DW Baden) für ihre herausragende Abschlussarbeit mit dem Titel: „Die Wahrnehmung von Seelsorge in der Institution Polizei durch Polizeiseelsorger:innen und Polizist:innen und deren Vergleich“. Beide haben den Bachelor-Studiengang Religionspädagogik/ Gemeindediakonie an der Hochschule absolviert. Das Preisgeld in Höhe von 1000 Euro ging jeweils zur Hälfte an die Preisträger*innen.

Den Studienpreis der Evangelischen Hochschule Freiburg erhielt Annalena Waldkirch, Absolventin des Bachelor Soziale Arbeit, für ihre herausragende Abschlussarbeit mit dem Titel „Relevanz persönlicher Erfahrungen von Professionellen mitpsychischen Erkrankungen in der Krisenhilfe“. Das Preisgeld beträgt 1000 Euro.

Der Dr.-Julie-Schenck-Preis der Evangelischen Landeskirche in Baden ging dieses Jahr an Studierende der Bachelor-Studiengänge Religionspädagogik/ Gemeindediakonie und Soziale Arbeit. Das Preisgeld beträgt üblicherweise insgesamt 1000 Euro; die Landeskirche verdoppelte 2022 angesichts der Vielzahl besonderer Leistungen den Betrag. Preisträger*innen sind Anika Hellman, Hans-Christian Benner und Marvin Martin. Ausgezeichnet wurde laut Jury, dass alle Bewerbungen gleichermaßen durch eine Kombination guter bis sehr guter Studienleistungen und innerkirchlichem bzw. sozialem Engagements beeindruckten.

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