Rechtsautoritäre Bewegungen nehmen Einfluss auf Sozial- und Bildungspolitik – und greifen zunehmend Wissenschaft und Professionen an. Wie Soziale Arbeit und Pädagogik darauf reagieren und selbst zu demokratischer Resilienz beitragen können, das war Thema eines Studientags an der Evangelischen Hochschule Freiburg.
Mit rund 450 Teilnehmenden übertraf der Studientag „Umkämpfte Demokratie – Pädagogik und Soziale Arbeit im Kontext von Rechtsextremismus“ alle Erwartungen und entwickelte sich zur bisher größten Veranstaltung an der EH Freiburg. Der Studientag ist allerdings weit mehr als ein Einzelereignis: Er macht sichtbar, wie Lehre, Forschung und Transfer ineinandergreifen und wie Studierende selbst aktiv gestalten.
Ein hochaktuelles Thema mit langer Geschichte
Schon seit vielen Jahren beschäftigt sich Initiatorin Gesa Köbberling, Professorin für Soziale Arbeit an der EH Freiburg, mit extrem rechten Bewegungen. „Extreme Rechte gab es in Deutschland immer, aber die Aufmerksamkeit dafür kommt und geht in Wellen“, so Köbberling. Dass dieses Thema derzeit wieder zentral ist, hat mehrere Gründe. „Die politischen Entwicklungen der letzten Jahre – insbesondere der Aufstieg der AfD – haben eine neue Qualität. Rechte Kräfte sind nicht nur lautstärker, sie sind organisierter, präsenter geworden und inzwischen in vielen Bundesländern parlamentarisch verankert“, sagt sie. Das macht sich überall bemerkbar – in der politischen Öffentlichkeit, in den Medien, in der Wissenschaft, aber auch in den sozialen Berufen. Besonders betroffen: all jene Bereiche, die sich für Diversität, Teilhabe, Gerechtigkeit und Inklusion einsetzen.
Aktuelle Beispiele reichen von rechten Kampagnen gegen sexuelle Bildung über Angriffe auf Projekte mit Geflüchteten bis hin zu Einschüchterungen von Einrichtungen, die sich explizit der Demokratieförderung verpflichten oder gegen Diskriminierung positionieren. Das sind allerdings nicht nur Angriffe von außen: Denkweisen der extremen Rechten lassen sich ebenfalls bei Wissenschaftler*innen, Studierenden und Praktiker*innen beobachten, ob bewusst oder unbewusst, organisiert oder vereinzelt.
Köbberling plädiert für einen nüchternen Blick: „Auch in unseren Professionen gibt es antidemokratische Tendenzen, die vielleicht gerade wieder offener zutage treten.“ Ein Bereich, der dabei oft übersehen werde, sei der Antiziganismus. „Diskriminierung gegenüber Sinti und Roma ist weit verbreitet – auch in der Sozialen Arbeit. Und sie ist historisch tief verwurzelt. Wenn wir Demokratieförderung ernst meinen, müssen wir auch kritisch die eigenen Traditionen und aktuellen Praxen in den Blick nehmen.“ Hier sei noch viel Aufarbeitung nötig.
Die Erfahrung, mit etwas Großem zu starten, von der theoretischen Auseinandersetzung ins Handeln zu kommen, Verantwortung zu übernehmen – das stärkt nicht nur fachlich, sondern auch persönlich.

Warum ein Studientag?
Der Studientag steht exemplarisch für das Selbstverständnis der EH Freiburg als Hochschule, die aktiv gesellschaftliche Debatten gestaltet: mit Forschung, mit Transfer und mit Haltung. „Wir sehen, dass Wissenschaft selbst zum umkämpften Raum geworden ist“, sagt Köbberling. Von der Klimaforschung über Gender Studies bis zur postkolonialen Theorie – viele Bereiche geraten ins Visier. Umso wichtiger sei es, den Raum Hochschule als Ort demokratischer Auseinandersetzung sichtbar zu behaupten.
Ziel sei es, Studierende zu befähigen, sowohl eigene Haltungen zu entwickeln, als auch die gesellschaftliche Dynamik differenziert zu analysieren. „Es reicht nicht, ein Argumentationstrainung zu besuchen“, so Köbberling. „Man muss auch verstehen, wo eigene Handlungsräume sind und wo ihre Grenzen liegen.“ Gleichzeitig entstehen durch Veranstaltungen wie diesen Studientag nachhaltige Netzwerke. So waren neben der EH Freiburg die Pädagogische Hochschule Freiburg, das Institut für Rechtsextremismusforschung (IRex) der Universität Tübingen, der Verein FAIRburg e. V. sowie das Kinder- und Jugendzentrum Weingarten Kooperationspartner*innen. Akteur*innen aus Praxis und Forschung tauschten sich über Strategien aus, etwa wie sie auf Angriffe auf ihre Arbeit reagieren oder wie sie in ihren Teams professionell mit antidemokratischen Äußerungen umgehen. Die Resonanz zeigt: Es besteht ein großes Bedürfnis nach Austausch und Vernetzung.
Der Studientag war als offener Lern- und Begegnungsraum konzipiert. Die Referent*innen kamen aus ganz Deutschland, überwiegend aus Baden-Württemberg. Viele stimmten schnell zu, sich daran zu beteiligen – aus der Überzeugung, dass dieser Austausch gesellschaftlich dringend nötig ist. Rund 20 Studierende der EH Freiburg organisierten mit: Sie planten das Programm, führten Recherchen durch, vernetzten sich mit Praxispartner*innen, erstellten Förderanträge und kümmerten sich um Logistik. Diese intensive Projektarbeit sei ein wichtiges Element für gelebte Demokratiebildung: „Die Erfahrung, mit etwas Großem zu starten, von der theoretischen Auseinandersetzung ins Handeln zu kommen, Verantwortung zu übernehmen – das stärkt nicht nur fachlich, sondern auch persönlich“, betont Köbberling.
Die Hochschule kann ein Ort sein, an dem eine demokratische Gesellschaft gestaltet wird.
Räume schaffen. Impulse geben. Mut machen
Was bleibt nach einem Tag voller Diskussionen, Workshops und Begegnungen? Für Köbberling ist klar: „Wir können nicht mit einem Tag alle Fragen beantworten. Aber wir können Räume schaffen. Impulse geben. Mut machen.“ Demokratie sei nicht nur ein großes politisches Ziel, sie beginne im Studium und der Lehre der Sozialen Arbeit, im Gespräch, im Alltag. Es gehe darum, die Orientierung am Leitbild einer pluralen Demokratie, an den Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit als unumstößliche fachliche Grundlagen zu verteidigen.
Der Studientag selbst war von einer fröhlichen Stimmung geprägt, die scheinbar im Kontrast zu den bedrückenden Themen stand. Vielleicht ist genau das die Botschaft dieses besonderen Tages: Dass es guttut, sich gemeinsam mit der bedrohlichen Situation auseinanderzusetzen. Dass es sich lohnt, sich einzumischen. Dass Hochschule ein Ort sein kann, an dem eine demokratische Gesellschaft gestaltet wird – analytisch, diskursiv, kritisch und gemeinsam.
(Protokoll: Melanie Geppert)

