Die Evangelische Hochschule Freiburg hat im Rahmen einer Podiumsdiskussion am 6. Mai 2022 höchstrichterliche Rechtsprechung eines Bundesgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts mit Sitz in Leipzig, zum Thema gemacht. Das hat eine starke öffentliche Reaktion ausgelöst. Das Urteil schützt ein hohes Gut, die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz.
„Für uns an der Hochschule ist noch deutlicher geworden, wie wichtig es ist, dass vor allem strittige Themen immer wieder zur Diskussion gestellt werden. Wir setzen dabei auf Differenzierung, auf den Disput um der Sache willen. Differenzierung ist anspruchsvoll. Sie setzt voraus, dass Menschen einander im Diskurs begegnen möchten, um eine Fragestellung von verschiedenen Seiten zu beleuchten, eine Auseinandersetzung exakt zu führen – ohne „gewinnen“ zu wollen“, sagt Rektorin Prof.in Dr.in Renate Kirchhoff.
Pluralität zu gestalten und auszuhalten, ist an der Evangelischen Hochschule Freiburg ein zentrales Gut. Die Möglichkeiten und Grenzen hierfür setzt – im vorliegenden Fall – höchstrichterliche Rechtsprechung. Einige öffentliche Darstellungen und Bewertungen der Podiumsdiskussion im Vorfeld der Veranstaltung haben gezeigt, dass das Thema des Raumentzugs ein besonders umstrittenes ist.
Kommunen haben ihre Entscheidung zum Raumentzug auf den Bundestagsbeschluss von 2019 gestützt. Dieser Beschluss hat zum einen zwar Meinungen prägende aber keine rechtlich bindende Kraft, zum anderen stammt er von einem inzwischen nicht mehr existierenden Bundestag. Handlungsleitend für öffentliche Institutionen zum Umgang mit Raumnutzung ist inzwischen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Januar 2022 (https://www.bverwg.de/de/pm/2022/6 ).
Der mediale Diskurs zur Hochschulveranstaltung konzentrierte sich auf das Thema der Berechtigung der Boykottbewegung BDS. Diese Frage war jedoch nicht Gegenstand der Podiumsdiskussion. Es ging im ersten Teil der Veranstaltung um die Bedeutung des BVerwG-Urteils für die Möglichkeiten und Grenzen der Meinungsfreiheit und den Anspruch von Bürger*innen auf die Nutzung öffentlicher Räume. Denn ohne öffentliche Versammlungsräume können Diskurse nicht stattfinden. Im zweiten Teil der Veranstaltung wurde dies am Beispiel der Optionen, die sich aus dem Urteil für den Diskurs um Israel/Palästina in Deutschland gestalten lassen, diskutiert.
Rektorin Renate Kirchhoff: „Ich halte es für problematisch, das Bedürfnis zu bedienen, ohne Ambiguitätstoleranz eine Meinung zu verfolgen. Demokratie lebt vom Einsatz für den Perspektivenwechsel, für die Befähigung, mit Komplexität zu rechnen. Gerade der Kampf gegen Antisemitismus und der Einsatz für Antisemitismusprävention haben diese Differenzierung zur notwendigen Voraussetzung. Hier haben neben der Mediennutzung Politik und Zivilgesellschaft eine absolut zentrale Rolle.“
In einer Welt der zunehmenden Verengung und Polarisierung, hält die Evangelische Hochschule solche Diskussionen für wichtiger denn je. Es geht um das Recht der Meinungsfreiheit selbst und die Bedeutung von wissenschaftlichen Diskursen für die Meinungsbildung.