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ReduFix Re-Start im Landkreis Rastatt

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© PantherMedia / photographee.eu

Professor Thomas Klie ist einer der Mitinitiator*innen von ReduFix – einem Projekt zur Reduzierung von freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Pflege. Daraus wurde zum Beispiel ReduFix ambulant entwickelt, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Es ist international das erste und einzige Projekt, das sich mit dem Phänomen freiheitseinschränkenderMaßnahmen in der häuslichen Pflege systematisch beschäftigt und praktische Lösungsansätze entwickelt hat.

Anlässlich einer Tagung am 11. Oktober 2022 im Landratsamt Rastatt zur Wiederaufnahme der ReduFix Initiative, betonte Thomas Klie, dass in der Corona-Pandemie vermehrt und auch zum Teil mit Segen der Gesundheitsämter auf freiheitsentziehende Maßnahmen und andere Freiheitseinschränkungen zurückgegriffen worden sei. „Die Sensibilisierung hat deutlich abgenommen“. Das sei auch in dem Projekt „Gesund und gewaltfrei in Bayern“ (Gewaltprävention in der stationären Pflege in Bayern) erkennbar geworden, das eine gesunde und gewaltfreie Lebens- und Arbeitsumwelt zum Ziel hat. AGP Sozialforschung in Freiburg i.Br., das Professor Klie leitet, die Hans-Weinberger-Akademie der AWO e.V. in München und die Hochschule München hatten das Projekt gemeinsam entwickelt.

Landrat Dr. Christian Dusch betonte, dass ReduFix einen ganz wesentlichen Anteil daran habe, dass in Deutschland seit etwa zehn, zwanzig Jahren deutlich weniger zu freiheitsentziehenden Maßnahmen in der stationären Pflege gegriffen würde als vorher.

Der Landkreis Rastatt sieht sich in der Verantwortung für Bedingungen guten Lebens in den Einrichtungen Sorge zu tragen. Die zuständige Heimaufsicht hat sich den ReduFix-Ansatz zu eigen gemacht. Allen Einrichtungen im Landkreis stehen ReduFix-Weiterbildungsmaßnahmen kostenlos zur Verfügung. In acht Online- und weiteren Präsenzveranstaltungen werden die Inhalte vermittelt, sowohl bezogen auf die stationäre Pflege, als auch auf die Eingliederungshilfe.

Am Ende des Projektes stehen Zertifizierungen der Einrichtungen, die dann als fixierungsfrei oder -arm bezeichnet werden. Das Projekt in Rastatt orientiert sich am Vorbild des Nachbarkreises Baden-Baden. Der Landkreis ist schon fixierungsfrei oder -arm. Dort ist es gelungen, die Fixierung von über 250 auf 5 binnen Jahresfrist im gesamten Kreis zu reduzieren.

André Hennig, der als ReduFix-Multiplikator die Schulung durchführt und eine Handreichung für Einrichtungen der Eingliederungshilfe zur Reduzierung körpernaher Fixierungen in Rheinland-Pfalz erarbeitet hat, betonte: „Es ist nicht zu sehr eine Frage der Personalausstattung, es ist, so belegen auch internationale Studien, eine Frage der Haltung, der Führung und des Wissens, ob in Einrichtungen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen gegriffen wird oder nicht. Nützlich sind sie in der Regel nicht, eher schädlich“.

Thomas Klie erläuterte auf der Tagung, dass die Hälfte der über 1.000 befragten Mitarbeiter*innen in Bayern angegeben haben, dass sie in Ausgangssperren und Besuchsverboten keine Gewalt sehen würden, da diese Maßnahmen ja staatlich angeordnet seien. Dieser Befund mache ihn sehr nachdenklich, betonte Klie. Das unterstreiche für ihn die Notwendigkeit, die Mitarbeiter*innen weiterzubilden, auch in der Sensibilität für Menschenrechte. Genau darauf ziele auch der Schulungsansatz von ReduFix.

Zum Ende des Jahres 2023 sollen die Einrichtungen im Landkreis Rastatt zertifiziert sein. Vorbereitet wird eine Rastatter Erklärung, in der auch die „kommunale Verantwortung für Bedingungen guten Lebens in Heimen herausgearbeitet wird“, sagte Sozialdezernent Sébastien Oser.

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