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Von Konflikten lernen

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Fünf Jahre Friedensinstitut Freiburg, eine Standortbestimmung: Im Interview erzählt Melanie Hussak, seit September Leiterin des Friedensinstituts, was es für Frieden und Demokratie leistet. Und sie nimmt die kommenden Jahre in den Blick. Zum neuen Team des Friedensinstituts gehört seit September auch Alexandra Dick, Wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Frau Hussak, Sie sind bereits seit März 2023 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Friedensinstitut tätig. Seit September dieses Jahres sind Sie die Leiterin, zugleich haben Sie die Professur Friedensforschung mit Schwerpunkt Friedensbildung angetreten. Wie sind Sie in Ihre neue Aufgabe gestartet?

Melanie Hussak (re. im Headerbild): Auf jeden Fall sehr dankbar! Für die großartige innovative Aufbauarbeit von Karen Hinrichs und auch von Prof. Dr. Bernd Harbeck-Pingel, der von 2020 bis September Wissenschaftlicher Direktor des Friedensinstituts gewesen ist. Herr Harbeck hat gemeinsam mit Frau Hinrichs das Curriculum des Masterstudiengangs entwickelt. Im friedensethischen Forschungskolloquium hat er zudem wichtige Impulse gesetzt, von denen die Friedensbildung in der Reflexion ihrer Praxis profitiert. Auch die wertvolle Unterstützung des wissenschaftlichen Beirats möchte ich hervorheben. Ich konnte auf einer sehr guten Grundlage starten und möchte das Friedensinstitut mit dem neuen Team nun konsolidieren und weiterentwickeln.

In unserer Forschung geht es auch um Querschnittsthemen. Ein Beispiel ist die Frage, welchen Beitrag die Friedenspädagogik in einer sozial-ökologischen Transformation und den damit verbundenen gesellschaftlichen Konflikten leisten kann

Prof.in Dr.in Melanie Hussak

Die Bezeichnung meiner Professur verweist bereits auf unser Alleinstellungsmerkmal: die Verbindung von Friedenswissenschaft und -bildung in Forschung und Praxis. Das berücksichtigen wir in unserer Institutsarbeit und im Masterstudiengang. Als anwendungsorientierte Disziplin ist der Austausch zwischen Forschung und Praxis der Friedenspädagogik inhärent. Unsere Forschung und Lehre profitieren von den Fragen der Studierenden sowie vom Diskurs mit Fachkräften. Gleichzeitig entwickeln wir unsere Lehre und unsere Transferangebote durch die Erkenntnisse auch aus der eigenen Forschung weiter. Im vergangenen Jahr haben wir uns etwa mit der Weiterentwicklung friedenspädagogischer Methoden beschäftigt. Dabei haben wir untersucht, welche Auswirkungen disziplinäre Entwicklungen wie etwa die Berücksichtigung dekolonialer Perspektiven oder gesellschaftspolitische Veränderungen, die beispielsweise durch die Klimakrise und einen digitalen Strukturwandel entstehen, haben. Welche Methoden können hier angewendet und wie müssen sie für aktuelle Kontexte angepasst werden? In unserer Forschung und in unseren Transferangeboten geht es auch um Querschnittsthemen. Ein Beispiel ist die Frage, welchen Beitrag die Friedenspädagogik in einer sozial-ökologischen Transformation und den damit verbundenen gesellschaftlichen Konflikten leisten kann. Die Bearbeitung dieser Konflikte erfordert eine abgestimmte Zusammenarbeit von Forschung, Aus- und Weiterbildung von Fachkräften und zukünftigen Entscheidungsverantwortlichen sowie eine breit angelegte Wissenschaftskommunikation. Unsere Handlungsfelder ergänzen sich optimal.

Melanie Hussak, Foto: Marc Doradzillo

Welche Ziele haben Sie für das Friedensinstitut?

Melanie Hussak: Die Herausforderungen für die Gestaltung eines friedlichen Miteinanders sind aktuell groß. Die Zahl der Menschen, die beruflich oder ehrenamtlich mit Konflikten zu tun haben, wächst. Daher möchte ich zielgruppenorientierte Qualifizierungs- und Transferangebote in und außerhalb der Hochschule ausbauen, anwendungsorientierte Forschung als sichtbares Element des Instituts etablieren. Wie wir das erreichen können, haben wir im neuen Strategie- und Entwicklungsplan für die kommenden fünf Jahre ausgearbeitet: Er enthält 17 Ziele mit Handlungsstrategien. Zum Beispiel gibt es seit dem Herbst 2025 mit „FriedenImPuls“ ein neues Webinar-Format als Transferangebot für Multiplikator*innen. Darin werden innovative Impulse der Friedenspädagogik vorgestellt und mit den Teilnehmenden für den Transfer in ihre Praxis erarbeitet. Darüber hinaus bauen wir eine Kompetenz- und Koordinationsstelle für Friedensbildung und Konflikttransformation auf. Ihre Angebote richten sich an kirchliche und nichtkirchliche Institutionen, die Begleitung im Umgang mit Konflikten suchen. In der Forschung widmen wir uns den konzeptionellen Grundlagen der Friedenspädagogik und publizieren die Ergebnisse einer internationalen Tagung, die wir im letzten Sommer veranstaltet haben. Zudem beschäftigen wir uns mit Friedensbildung im Kontext aktueller gesellschaftlicher Spannungsfelder wie der sozial-ökologischen Transformation und der Zunahme antidemokratischer Einstellungen in der Gesellschaft. Gemeinsam mit internationalen Partner*innen arbeiten wir zu Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Voranbringen möchte ich die Auseinandersetzung mit der Professionalität friedenspädagogischer Praxis und die Stärkung von Forschungskompetenzen im Studium.

Melanie Hussak

Welche zentralen Themen möchten Sie in der Lehre vorantreiben?

Melanie Hussak: Friedenspädagogische Lehre umfasst die Vermittlung interdisziplinärer Grundlagen, den Erwerb von Analyse- und Methodenkompetenzen, aber ebenso, globale und gesellschaftliche Gewalt- und Konfliktdynamiken einzuordnen und deren Implikationen für die eigene Profession zu beleuchten. Im Master legen wir zudem großen Wert auf friedensethische Reflexion als Grundlage einer transformativen Bildungsarbeit. Voranbringen möchte ich die Auseinandersetzung mit der Professionalität friedenspädagogischer Praxis und die Stärkung von Forschungskompetenzen im Studium. Wir werden uns noch intensiver mit Fragen rund um Berufsethik und Kompetenzentwicklung befassen, und wir bieten Unterstützungsformate wie einen begleiteten Einstieg in die Praxis durch Mentoring und Supervision an – etwa durch das Kooperationsprojekt „Friedensstifter*innen“. In regelmäßigen friedenspädagogischen Forschungskolloquien sollen Studierende ihre eigenen Forschungsprojekte vorstellen und mit Fachkolleg*innen diskutieren können. Das gibt es bisher nur in anderen Fachgebieten.

Auch mit Blick auf das Thema Demokratie ist es uns wichtig zu vermitteln, dass Konflikte positiv betrachtet werden sollten – denn sie zeigen einen Bedarf an Bearbeitung an. Demokratien sind Kontroversen und Konflikte inhärent. Ihre Sichtbarkeit ist auch ein Qualitätsmerkmal. Werden Konflikte unterdrückt oder unsichtbar gemacht, trägt das zu einer Homogenisierung von Positionen in der Gesellschaft bei, mit der Folge, dass wichtige Perspektiven marginalisiert und Ungleichheiten reproduziert werden. Wir tendieren in unserer Disziplin oft dazu, uns auf Friedens- und Gewaltkulturen zu konzentrieren. Das ist wichtig, muss aber erweitert werden. Eine lebendige Konfliktkultur stärkt unsere Demokratie. Die Friedensbildung leistet einen wichtigen Beitrag, indem sie Räume für gesellschaftliche Bearbeitungs- und Aushandlungsprozesse unter demokratischen Bedingungen eröffnet. Da auch Diskurse um Demokratie zunehmen, bereiten wir unsere Studierenden auf dieses gesellschaftspolitische Spannungsfeld vor.

Interview: Imke Rötger

Demokratien sind Kontroversen und Konflikte inhärent. Ihre Sichtbarkeit ist auch ein Qualitätsmerkmal.

Melanie Hussak

Mehr Info

 

Zur Person Melanie Hussak

  • seit 09/2025 Professur Friedensforschung mit Schwerpunkt Friedensbildung, Evangelische Hochschule Freiburg; Wissenschaftliche Leiterin und Geschäftsführerin Friedensinstitut Freiburg; Leitung Freiburger Institut für Menschenrechte (FIM)
  • 06/2023 Promotion in Politikwissenschaft mit der Arbeit „Friedensvorstellungen und -initiative der D/Lakota im Umgang mit Kolonialisierung und andauernder Kolonialität. Ein Beitrag zur Dekolonialisierung der Friedens- und Konfliktforschung“ an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau
  • 03/2023 – 8/2025 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Friedensinstitut Freiburg der Evangelischen Hochschule Freiburg
  • 2022 – 2023 wissenschaftliche Projektmitarbeiterin “Developing a Shared Society Index”, Universität Haifa
  • seit 2021 Mitglied des Redaktionsteams der Zeitschrift „Wissenschaft & Frieden“, Vertreterin der AFK
  • 2015 – 2022 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedensakademie RLP, Universität Koblenz-Landau
  • 2015 – 2018 Lehraufträge an der Universität Koblenz-Landau
  • 02 – 04/2015 Fellowship am Österreichischen Zentrum für Frieden und Konfliktlösung
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Zur Person Alexandra Dick

  • seit 09/2025 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Friedensinstitut Freiburg, Evangelische Hochschule Freiburg
  • 2022 – 2024 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Textverständnis, Frieden und Krieg“ am Institut für Politikwissenschaft, Universität Tübingen
  • 2020 Gastwissenschaftlerin (DAAD-Stipendium), City College of New York
  • seit 11/2019 Promotionsstudium in Islamwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
  • 2017 – 2022 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Dschihadismus im Internet“ am Institut für Ethnologie und Afrikastudien, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • 2015 – 2016 Masterstudium in Social Anthropology of Development, SOAS, University of London
  • seit 2015 Referentin für Globales Lernen im Rahmen des Programms „Bildung trifft Entwicklung“, Engagement Global
  • 2014 Forschungsassistentin (ASA-Stipendium), Hebrew University of Jerusalem
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