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Allein auf weiter Professur?

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Die neue Winterschool soll Postdocs den Weg zur HAW-Professur ebnen. 2022 gestartet, läuft das vom Bundesforschungsministerium geförderte Format bis 2027. Ein guter Anlass, um nachzufragen: Wie viel Konkurrenzdenken gehört für Nachwuchswissenschaftler*innen zur Karriereplanung? Und wie wichtig sind Netzwerke und gegenseitige Unterstützung?

Konkurrenz belebt das Geschäft, heißt es. Dazu ließen sich auch für die Welt der Wissenschaft einige Punkte anführen: Auf der Makro-Ebene stehen den Hochschulverbünden, Allianzen und Netzwerken auch 2023 wieder Hochschul-Rankings und Exzellenz-Labels gegenüber. Und auch auf der individuellen Ebene besteht der Weg zur Professur nicht 24/7 aus Kooperation, Teamwork und Community-Denken. Die Erziehungswissenschaftlerin Isabel Dean drückt es so aus: „Wenn ich an begrenzte Ressourcen wie Fördermittel, unbefristete Stellen oder an Bewerbungen für die Teilnahme an Konferenzen denke, wird es in der Wissenschaft wohl kaum möglich sein, ganz auf Konkurrenzverhältnisse zu verzichten.“ Andererseits ist Wissenschaft ohne kollegiale Zusammenarbeit undenkbar: Erkenntnisse und Wissen lassen sich leichter gewinnen, wenn es Kooperationsbeziehungen zwischen Forschenden und multiperspektivische Zugänge gibt. „Warum sollte dies bei der Suche nach langfristigen Perspektiven in der Wissenschaft anders sein?“, fragt Dean. „Auch hier spielen Netzwerke und Kooperationen eine wichtige Rolle.“

Wir wollen Lust machen auf eine Professur an den HAW.

Stefanie Pietsch

Großes Bedürfnis nach kollegialer Unterstützung

Welche Möglichkeiten eröffnen sich also, wenn man sich mit der vermeintlichen Konkurrenz an einen Tisch setzt? Ein gelungenes Beispiel für mehr Mit- statt Gegeneinander ist für Isabel Dean die neue Winterschool der EH Freiburg, an der sie von Oktober 2022 bis Januar 2023 zusammen mit zehn anderen Postdocs aus den Sozial- und Geisteswissenschaften teilgenommen hat.

Mehrere Workshops gehörten dazu, beispielweise zu den Voraussetzungen für die Professur an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) und zu Skills, mit denen man sich im Berufungsverfahren bestmöglich präsentiert. Auch Coachings zur Profilbildung und zum Aufbau von Netzwerken waren integriert. Begleitet von externen Referent*innen und Freiburger Professor*innen setzten sich die Teilnehmenden mit potenziellen Karrierewegen nach der Promotion auseinander.

Stefanie Pietsch ist Forschungsreferentin an der EH Freiburg und organisiert die Workshops. Sie erzählt, dass sich im Prozess der Winterschool auch durchaus herausstellen darf, dass eine Professur gar nicht das passende Karriereziel ist. „Dann werden im Rahmen der Workshops und individuellen Coachings berufliche Alternativen und konkrete Etappenziele ausgelotet.“

Die Workshops helfen zudem dabei, Besonderheiten der Professuren an HAW zu klären – sei es im Vorfeld, sei es im Verlauf. Beispiel eins: Kurz vor Beginn der ersten Winterschool haben die baden-württembergischen HAW über einen neuen Verband im Herbst 2022 das Promotionsrecht erhalten. Beispiel zwei: Die Winterschool der EH Freiburg konzentriert sich auf Professuren an HAW mit SAGE-Profil, also auf Arbeitsmöglichkeiten in den Feldern Soziale Arbeit, Gesundheit, Erziehung und Bildung. Stefanie Pietsch fasst es so zusammen: „Wir wollen Lust machen auf eine Professur an den HAW – und insbesondere auf die Arbeit an der EH Freiburg.“

Teilnehmende der Winterschool 2023, Foto: Marc Doradzillo

Der kollegiale Umgang hat dazu beigetragen, dass ich mein Netzwerk erweitern konnte und alte Kontakte erneuert habe.

Isabel Dean

Nachwuchswissenschaftlerin Isabel Dean sieht schon jetzt, welche langfristigen Vorteile ihr die Winterschool gebracht hat:„Der kollegiale Umgang hat dazu beigetragen, dass ich mein Netzwerk erweitern konnte und alte Kontakte erneuert habe.“ Gemeinsam mit einer anderen Teilnehmerin hat sie sich vorgenommen, in Zukunft bei Stellenausschreibungen für HAW-Professuren aufeinander zu verweisen und deutlich zu machen, dass sie sich auch die Teilung der Professur vorstellen können. Sozialwissenschaftlerin Sylvia Nienhaus bewertet die Winterschool ähnlich positiv: „Mir hilft der Austausch auf mehreren Ebenen. Ich bekomme neue Impulse und lerne andere Sichtweisen kennen. Und ich kann meine Erfahrungen weitergeben.“ Sie findet es wichtig, aus der Einzelkämpfer*innen-Rolle herauszutreten, Unterstützung anzubieten und anzunehmen. Allzu oft sei der akademische Werdegang ein Alleingang.

Viele Nachwissenschaftler*innen orientieren sich immer noch an Universitätskarrieren, zu denen eine Habilitation gehört und bei denen der Weg relativ klar vorgezeichnet ist. Die Wege an eine HAW sind vielfältiger und meist kürzer.

Stefanie Pietsch

In Austausch kommen

Auch beim Forschen wünscht sich Sylvia Nienhaus mehr Kooperation.Vor allem das interdisziplinäre Zusammenarbeiten scheitere jedoch oft am Zeitmangel im Berufsalltag. Oder an der Prioritätensetzung. Winterschool-Teilnehmerin Juliane Wahren meint: „Kooperation würde das Geschäft sicher noch mehr beleben.“ Die offene Atmosphäre während der Workshops habe ihr geholfen, neue Kontakte zu knüpfen und Wissenslücken zu schließen. Wahren findet es wichtig, ein Netzwerk zu haben, an das sie sich bei Bedarf wenden kann.

Für die EH Freiburg wiederum ist das neue Format eine gute Möglichkeit, Postdocs den Hochschultyp HAW näherzubringen. Denn viele Nachwissenschaftler*innen orientieren sich immer noch an Universitätskarrieren, zu denen eine Habilitation gehört und bei denen der Weg relativ klar vorgezeichnet ist. Die Wege an eine HAW haben zwar üblicherweise mehr Kreuzungen und Abzweigungen, aber dadurch können sie auch vielfältiger sein oder sogar kürzer. Für eine HAW-Professur muss man nicht habilitieren, sie setzt allerdings fünf Jahre Berufspraxis, davon drei Jahre außerhalb der Hochschulwelt, voraus. Für Akademiker*innen, denen diese Praxis fehlt, hat die EH Freiburg eine Lösung: Die sogenannte Tandemprofessur verbindet den Einstieg in die Professur mit einer beruflichen Tätigkeit.

Bei der Zielgruppe hat die Winterschool auf jeden Fall einen Nerv getroffen, zumal sie als Safe Space konzipiert war und Raum ließ zum Nach- und Hinterfragen. Koordinatorin Stefanie Pietsch sagt: „Für junge Wissenschaftler*innen in der Postdoc-Phase existieren bislang kaum Foren, in denen Karrierefragen offen besprochen werden und die Teilnehmer*innen konstruktives Feedback zu ihrem Lebenslauf und ihren Skills bekommen.“ Mit der Resonanz auf die erste Winterschool ist sie sehr zufrieden: „Wir hatten viel mehr Bewerber*innen als Plätze. Es gab ein großes, überregionales Interesse, mit überraschend vielen Kandidat*innen, die nicht an HAW, sondern an Universitäten studiert hatten.“

Auf die erste Runde folgen zwei weitere Workshop-Reihen: 2024 und 2026. Wer zum SAGE-Profil passt, seine Promotion demnächst abschließt beziehungsweise Postdoc ist und mitmachen will, kann sich jetzt schon an Stefanie Pietsch wenden.

(Dirk Nordhoff)

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