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Professorin Gesa Köbberling

"Ich möchte Studierenden vermitteln, dass man selbst gestalten kann."

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Studierende entwickeln Audioguide

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Fünf Bachelor-Studierende der Sozialen Arbeit (auf dem Bild sind drei zusehen, v.l.n.r. Juliana Seibert, Luise Siegert, Ilaria Mastrelli) haben einen Audioguide über den Alltag osteuropäischer Migrant*innen auf Freiburgs Straßen entwickelt. Das Projekt aus dem Handlungsfeldseminar von Prof.in Dr.in Gesa Köbberling und Sibylle Fischer zeigt, wie Ideen für die Praxis entstehen – wenn es in der Lehre Spielräume gibt.

Am Freiburger Hauptbahnhof kommen jeden Tag Hunderte Menschen an. Hier werden sie mit jenen konfrontiert, deren Pläne für ein gutes Leben in Freiburg sich nicht erfüllt haben: Menschen, die betteln, die vielleicht sogar auf der Straße leben. Am Hauptbahnhof beginnt deshalb der Audioguide „Wie ein normaler Mensch leben – vom Alltag osteuropäischer Migrant*innen auf Freiburgs Straßen“. Entwickelt haben ihn fünf Studierende der EH Freiburg gemeinsam mit ihrer Professorin Gesa Köbberling. „Jede Station steht symbolisch für ein Thema, das im Leben wohnungs- oder obdachloser Menschen wichtig ist“, erläutert die Studentin Juliana Seibert. Ab April 2022 können sich Interessierte die Audioführung auf ihr Smartphone herunterladen. Eine gute Stunde führt die Tour über sechs Stationen durch die Stadt.

Die Idee für den Audioguide entwickelte das Projektteam vor einem Jahr im Handlungsfeldseminar bei Köbberling und Fischer. „Wir haben dieses Seminar so konzipiert, dass die Studierenden eigenverantwortlich Projekte entwickeln können“, sagt Köbberling. Der Arbeitsschwerpunkt der Professorin für Soziale Arbeit ist die Gestaltung des Zusammenlebens in der Migrationsgesellschaft. Lange arbeitete Köbberling in der Praxis, unter anderem in der Beratung von Betroffenen rechter, rassistischer oder antisemitischer Gewalt. 2016 trat sie ihre Professur an der EH Freiburg an: „Ich möchte Studierenden vermitteln,dass man selbst gestalten kann. Dafür ist das Handlungsfeldmodul ideal.“

Wir haben dieses Seminar so konzipiert, dass die Studierenden eigenverantwortlich Projekte entwickeln können.

Gesa Köbberling
Studierende, die den Audioguide entwickelt haben; Foto: Marc Doradzillo

Raum für eigene Ideen

Das Seminarthema „Sozialräumliche Perspektiven in der Migrationsgesellschaft“ bot einen methodischen Rahmen und zugleich Spielraum für eigene Ideen. „Frau Köbberling hat uns ermutigt, Projekte zu entwickeln, die vom Standard abweichen“, sagt die Studentin Ilaria Mastrelli. Eine Gratwanderung, wie Köbberling sagt: „Am Anfang fühlen sich viele Studierende überfordert, weil wir nicht vorgeben, was entstehen soll. Aber ohne diese Freiheit könnten sie nicht genau jene Themen und Formen finden, die sie wirklich interessieren.“

Schnell bildete sich ein Team, das Lebenssituationen obdachloser Sinti*zze und Rom*nja analysieren wollte. „Erfahrungen aus dem Praxissemester zu Diskriminierungen waren unser Ausgangspunkt: Wir wollten die Perspektive dieser Menschen in den öffentlichen Diskurs bringen, helfen, ihn differenzierter zu führen und so Diskriminierung reduzieren“, erklärt Student Marc Cordes.

Erfahrungen aus dem Praxissemester zu Diskriminierungen waren unser Ausgangspunkt.

Marc Cordes

Zuhören und mitreden

Im Audioguide kommen einige Betroffene anonymisiert selbst zu Wort. Im Frühsommer 2021 führten die Studierenden hierfür Interviews in der Pflasterstub‘ der Caritas. „Eine Person, die dort ehrenamtlich tätig ist, hat für uns gedolmetscht“, erzählt die Studentin Luise Siegert. Interviews mit Fachkräften der Sozialen Arbeit und Infoblöcke ergänzen die akustische Stadtführung, die vom Hauptbahnhof über die Kaiser-Joseph-Straße bis zum Stadtgarten führt. Es geht um den Alltag auf der Straße, um die Versorgung mit dem Lebensnotwendigen, um Gesundheit, Konflikte mit Gewerbetreibenden in der Innenstadt, um Antiziganismus und ums Betteln. Der Audioguide endet mit der Frage, was die Betroffenen sich wünschen. Student Nico Weber erklärt: „Eine Antwort wurde zum Titel des Audioguides: ‚Ich hätte einfach gerne ein normales Leben.‘“

„Oft entstehen im Handlungsfeldmodul Projekte, die der Fachpraxis direkt nutzen“, erklärt Köbberling. Zunächst war offen, ob der Audioguide produziert werden kann. Das Bundesförderprogramm „Demokratie leben!“ löste dieses Problem. „Das Programm passte ausgesprochen gut, weil der Audioguide die demokratische Diskussion über ein Thema fördern soll, das in der Freiburger Stadtgesellschaft virulent ist.“ Die Studierenden stellten den Förderantrag selbst – eine Kompetenz, die Köbberling in ihren Seminaren vermittelt. „Unterstützt habe ich bei der formalen Anbindung des Projekts an unseren Forschungsverbund FIVE.“

Weitere Projektpartner*innen gewannen die gut vernetzten Studierenden selbst: den Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Freiburg, das Kontaktnetz Straßensozialarbeit Freiburg, die Pflasterstub‘ des Caritasverbands Freiburg und Radio Dreyeckland. Zurzeit geben die Studierenden dem Audioguide in den Studios von Radio Dreyeckland den letzten Schliff. Für die zweite Jahreshälfte 2022 planen sie Veranstaltungen, um die öffentliche Diskussion anzuregen. „Wir möchten auch hier die Betroffenen einbeziehen. Ihnen etwas zurückgeben dafür, dass sie uns einen Einblick in ihr Leben ermöglichen“, betont IIaria Mastrelli.

(Stefanie Hardick)

QR-Code Audioguide
Nachtrag vom 01.06.2022

Der Audioguide ist inzwischen online abrufbar, auch per QR-Code.

Artikel im Magazin ev.olve #01

ev.olve online

Hier können Sie das ganze Magazin ev.olve online lesen: ev.olve #01 Role Models