Die Politikwissenschaftlerin Melanie Hussak ist seit März 2023 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am 2020 gegründeten Friedensinstitut Freiburg. „Ich erlebe die Auseinandersetzung mit meinen Themen als sehr erfüllend", betont sie.
Frieden ist für mich ein Lebensthema. Eine Berufung, auch wenn das ein großes Wort ist. Ich forsche viel zu Frieden, Konflikten sowie Gewalt und arbeite praktisch in diesem Bereich. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen als normalen Beruf zu leben, ist nur bedingt möglich.
Wer eine wissenschaftliche Karriere anstrebt, muss menschlich wie fachlich hohe Einsatzbereitschaft und Motivation zeigen, die deutlich über Pflichterfüllung hinausgehen. Mir ist aber auch bewusst, dass es ein Privileg und großes Glück ist, so vielseitig arbeiten zu können wie ich.
Ich erlebe es als eine innere Erfüllung, mich mit meinen Themen auseinanderzusetzen, und könnte mir kaum vorstellen, etwas anderes zu machen. Eine Zeit lang hatte ich auch den Wunsch, Ärztin zu werden. Aber die Terroranschläge am 11. September 2001 und der vielfach oberflächlich geführte Diskurs darüber waren für mich ein Auslöser, tiefergehend über friedliches Zusammenleben, die Ursachen gesellschaftspolitischer Konflikte und Potenziale für Transformation nachzudenken. Da genau hinzuschauen, setzt eine sensibilisierte Wahrnehmung voraus und kann auch belasten.
Es ist wichtig, auf sich selbst zu achten und zu reflektieren: Bin ich müde vom Arbeitspensum oder von den intensiven Themen? Ich habe mit Menschen in den ukrainischen Grenzgebieten zu tun, in Israel, in Palästina. Ihnen kann ich nicht nur akademisch-analytisch begegnen, da brauche ich auch Mitgefühl und Menschlichkeit. Aber es darf mich nicht so mitreißen, dass ich nicht mehr handlungsfähig bin.
Ich habe mit Menschen in den ukrainischen Grenzgebieten zu tun, in Israel, in Palästina. Ihnen kann ich nicht nur akademisch-analytisch begegnen, da brauche ich auch Mitgefühl und Menschlichkeit.
Mein Bruder ist Psychotherapeut. Bei ihm gehört Selbstfürsorge zur Ausbildung. In der Forschung und auch bei uns in der Friedens- und Konfliktforschung wird das zu wenig diskutiert. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, wie unser Wissenschaftssystem funktioniert. Es ist sehr kompetitiv und bietet wenig sichere Perspektiven. Denken wir nur an die Unterfinanzierung in Deutschland und Österreich oder das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Ich erlebe es aber als ermutigend, dass junge Wissenschaftler*innen sich über ihre Erfahrungen verstärkt austauschen und gegenseitig unterstützen.
Es gibt immer wieder besondere Momente, in denen ich meine Arbeit als sinnvoll und erfüllend empfinde. Zum Beispiel habe ich Feldforschung bei den Lakota in den USA gemacht, die bis heute marginalisiert und diskriminiert sind. Trotz vieler negativer Erfahrungen im Kontext der Kolonialisierung und Kolonialität – auch mit Forschung − ist ein vertrauensvolles Verhältnis entstanden. Dafür bin ich dankbar. Damit einher geht eine große Verantwortung und ebenso die Notwendigkeit, die eigenen Positionen und Positionalität zu reflektieren – insbesondere, wenn man die eigene Tätigkeit als Berufung erlebt.
(Protokoll: Dirk Nordhoff)
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