Die Forschungsstruktur an der Evangelischen Hochschule Freiburg wurde neu organisiert: Im September 2022 ging das Institut für Angewandte Forschung (IAF) an den Start. Fabian Frank ist Prorektor für Forschung und Transfer – und Leiter des IAF. Er erläutert das Potenzial dieser Umstrukturierung.
Herr Frank, die Evangelische Hochschule hat eine sehr lange Forschungstradition. Wie wurde Forschung bisher organisiert? Schon seit 1984 wurde Forschung bei uns mehrheitlich in einem erfolgreichen An-Institut umgesetzt, zunächst Kontaktstelle für praxisorientierte Forschung genannt, später dann Forschungs- und Innovationsverbund an der EH Freiburg e. V. (FIVE). Professor*innen haben zudem auch unabhängig von FIVE Forschungsprojekte realisiert. Über viele Jahre gab es die Forschungsschwerpunkte Pädagogik der Kindheit, Geschlechterforschung sowie Demografischer Wandel und Zivilgesellschaft. Alle drei Schwerpunkte waren auf der Forschungslandkarte der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) abgebildet. Mit diesem Portfolio gehörte die Hochschule zu den forschungsstarken Hochschulen im sozialwissenschaftlichen Bereich in Deutschland mit einer primär anwendungsorientierten Forschungsausrichtung.
Warum braucht es eine neue Infrastruktur für die Forschung in Form des Instituts für Angewandte Forschung – kurz IAF? Das sind im Wesentlichen drei Gründe: Einige Kolleg*innen, die die Forschung an der Hochschule und von FIVE grundlegend aufgebaut und mitgetragen haben, sind inzwischen aus dem aktiven Hochschuldienst ausgeschieden. Sie haben auch das unternehmerische Risiko von FIVE getragen. Heute wollen die Kolleg*innen selbstverständlich auch noch forschen, mit neuen Partnerorganisationen, zu neuen Themen – und hierbei wollen sie nicht zwangsläufig das wirtschaftliche Risiko für ein Unternehmen tragen müssen. Für ihre Forschung benötigen sie aber verlässliche Strukturen. Und die bieten wir mit dem IAF. Und wir können mit dem neuen In-Institut eigene Forschungstätigkeiten gezielter unterstützen. Relevant ist auch, dass wir es inzwischen mit einer neuen Generation von Wissenschaftler*innenzu tun haben – dazu gehöre auch ich selbst. Für uns eröffnen die Arbeitsbedingungen an der Hochschule die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Sinne einer übergreifenden Lebensplanung. Und wir nutzen diese auch. Nicht zuletzt haben sich die Forschungslandschaft an Hochschulen sowie die Drittmittelausschreibungen verändert. Es gibt zunehmend Ausschreibungen, die sich explizit an Hochschulen richten. Bei diesen ist dann FIVE als An-Institut nicht antragsberechtigt. Wir brauchen also eine Organisationsstruktur innerhalb der Hochschule, mit der wir auf neue Situationen optimal reagieren können.
Vor wenigen Monaten wurde ein neuer Promotionsverband der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW)in Baden-Württemberg gegründet. Dieser Verband ist der Schlüssel zum neuen Promotionsrecht der HAW.
Gibt es denn auch neue Forschungsthemen? Zunächst ist es so, dass wir die Forschungsschwerpunkte Pädagogik der Kindheit und Geschlechterforschung weiterführen. Sie gehören nach wie vor zur HRK-Forschungslandkarte. Darüberhinaus baut die Hochschule ihre Forschungsthemen sukzessive aus: aktuell zum Beispiel Migration und Rassismus, Friedensforschung – insbesondere durch unser Friedensinstitut, Gesundheit sowie Versorgungsforschung. Das sind also Themen, die virulent sind, die weltweit Bedeutung haben. Mit dem IAF bündeln Sie also die Forschung. Rückt sie dadurch in den Vordergrund? Genau, mit dem IAF wird die Forschung der Kolleg*innen deutlicher als Forschung der Hochschule erkannt und damit wird sie sichtbarer, beispielsweise für die Landesregierung Baden- Württemberg. Dadurch schaffen wir die Voraussetzungen, dass wir als Hochschule in kirchlicher Trägerschaft vermehrt bei wettbewerblichen Landesausschreibungen oder anderen Möglichkeiten der Landesförderung für Forschung berücksichtigt werden können.
Forschung und Promotion hängen eng zusammen. Was bedeutet das neue Promotionsrecht für Ihren Hochschultyp? Vor wenigen Monaten wurde ein neuer Promotionsverband der Hochschulenfür Angewandte Wissenschaften (HAW) in Baden-Württemberg gegründet. Dieser Verband ist der Schlüssel zum neuen Promotionsrecht der HAW: Über ihn können forschungsstarke Professor*innen der HAW Promotionen betreuen (*). Das ist neu! Um an diesemVerband partizipieren zu können, müssen Kolleg*innen ihre Forschungsstärke über Drittmittel und Publikationen nachweisen. Und diese wiederum müssen aus der Hochschule heraus erbracht worden sein – und hier schließt sich sozusagen der Kreis. Die Inhouse-Forschungsstruktur ist also auch hierfür unverzichtbar. Wie gelingt so ein Umbau – von der ausgelagerten Forschung zur Inhouse-Forschung? Von Anfang an war uns wichtig, das IAF nicht nur im Rektorat und im Austausch mit anderen Hochschulen zu entwickeln, sondern alle forschenden und nicht forschenden Kolleg*innen aus dem Haus in den Entwicklungsprozess einzubinden. Er sollte transparent sein. Und wir haben ein besonderes Augenmerk auf die Unterstützungsbedarfe und Forschungsziele der Wissenschaftler*innen gelegt. Gleichzeitig hat uns FIVE enorm unterstützt bei diesem Transformationsprozess – und macht dies immer noch. Es wurde ein Thinktank gegründet, mit Vertreter*innen von FIVE, Hochschulleitung und weiteren Kolleg*innen, um die Grundlinien des Transformationsprozesses auszuhandeln.
Das IAF unterstützt von der Antragstellung bis zum Abschlussbericht.
Welche Schritte stehen noch bevor? Die IAF-Geschäftsstelle als Serviceeinrichtung für alle Forschenden im Haus ist im Aufbau. Auch das Angebot von austausch- und forschungsbezogenen Weiterbildungsformaten gehört dazu. Hier brauchen wir noch etwas Zeit. Das IAF gibt Struktur und was noch? Das IAF unterstützt auf Wunsch von der Antragstellung bis zum Abschlussbericht, zum Beispiel bei der Kommunikation mit Drittmittelgebern, der finanziellen Administration oder der Vertragsgestaltung. Und ich bin sicher, dass das IAF einen positiven Motivationsschub für das individuelle Forschungsinteresse mit sich bringt.
(Tanja Fritzensmeier)