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Flüchtlingsarbeit im Pflegeheim

Flüchtlingsarbeit im Pflegeheim

In Kenzingen leben Flüchtlinge und alte Menschen in einem AWO-Pflegewohnheim zusammen. Beide Gruppen haben Vertrautes verlassen, erleben Ausgrenzung und brauchen Hilfe im Alltag. Diese Wohngemeinschaft haben Studierende im Bereich Soziale Gerontologie zum Forschungsgegenstand gemacht. Dafür wurden Passanten in Kenzingen, Mitarbeiter und Bewohner des Pflegeheims, DRK-Mitglieder und die Flüchtlingsfamilie interviewt.

Mit dem einsemestrigen Hochschulprojekt wollten Studentinnen der Evangelischen Hochschule (4. Semester) herausfinden, ob und wie in dieser speziellen Wohnsituation aus einem Nebeneinanderwohnen ein Miteinanderleben entstehen kann. Die serbische Familie, beide Eltern und ihre vier Kinder,  konnte das Pflegeheim beziehen, weil dort ein Wohnbereich für pflegebedürftige Menschen nicht mehr geeignet ist.

Ähnliche Lebenslagen

Beide Wohnparteien, ältere Menschen und Flüchtlinge, befinden sich in vergleichbaren Lebenslagen. Die Roma-Familie ist aus ihrer Heimat geflüchtet und muss sich jetzt an einem ganz neuen und noch unbekannten Ort zurechtfinden. Die älteren Bewohner haben durch den Umzug in das Pflegeheim ihre Wohnung und die vertraute Umgebung aufgegeben. Beide Gruppen sind weitgehend isoliert von der Gesellschaft, einerseits durch die begrenzte Mobilität, andererseits durch Sprachbarrieren und das „Fremdsein“. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass beide Parteien auf die Unterstützung und Hilfe im Alltag angewiesen sind. Diese Einschränkungen erschweren ihre selbstständige Partizipation erheblich.

Befragung als Stimmungsbarometer

Die Befragung von insgesamt rund 40 Personen nutzten die Studentinnen als „Stimmungsbarometer“. Passanten in der Stadt differenzierten meist zwischen Kriegsflüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen. Eine eher ablehnende Haltung zeigten sie gegenüber den Wirtschaftsflüchtlingen. Als „echte“ Flüchtlinge wurden diejenigen bezeichnet, die aufgrund von Krieg oder Verfolgung fliehen mussten. Für diese Personengruppe zeigten die Passanten Verständnis und Mitgefühl. In Gesprächen mit den Bewohnern des AWO-Pflegeheims wurde ihre Akzeptanz gegenüber den neuen Nachbarn deutlich, einem intensiveren Kontakt standen sie zunächst reserviert gegenüber.

Begegnungsfest öffnet Chancen

Ganz anders stellte sich dies beim Begegnungsfest, beim direkten Miteinander, dar. Die älteren Bewohner waren sehr aufgeschlossen. Es entwickelten sich herzliche Begegnungen zwischen Flüchtlingen und älteren Menschen. Die Studentinnen hatten für den Nachmittag eine Raupe aus Papier vorbereitet, die gemeinsam bemalt, mit Wünschen beschrieben und zusammengefügt wurde. Die Raupe stand als Symbol für das Bewältigen kleiner Schritte sowie das Durchhaltevermögen für einen längeren und mühsamen Weg.

Am „Fest der Begegnungen“ nahmen nicht nur Bewohner des Heims teil, sondern Vertreter der AWO Freiburg, der Kenzinger Bürgermeister Matthias Guderjan, Vertreter des Landratsamts Emmendingen und des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) sowie der evangelische Pfarrer Andreas Hansen, Vikar Christian Erath und viele ehrenamtliche Helfer. Die serbische Flüchtlingsfamilie wurde bei dieser Gelegenheit von Stadt und Kirche offiziell willkommen geheißen. Die Verständigung untereinander gelang durch Dolmetscher sowie durch die bereits Deutsch sprechenden Kinder, die seit einigen Monaten die Schule besuchen.

Offenheit baut Vorurteile ab

Das Projekt hat die vielfältigen Bezüge zwischen den Themenkreisen „Alter“ und „Flucht und Vertreibung“ deutlich gemacht. Projektleiterin Birgit Schuhmacher stellt fest: „Die anfangs durchgeführten Daten- und Literaturrecherchen haben gezeigt, dass sich Wissenschaft und Praxis noch wenig mit dieser Schnittstelle auseinandersetzen. Für die Studierenden und ebenso für die dem Projekt sehr aufgeschlossene Claire Désenfant, Leitung der AWO-Pflegeeinrichtung, war das Vorhaben eine Reise ins Unbekannte. Zutage kam dabei, dass durch Offenheit, Flexibilität und etwas Risikobereitschaft allgemeine Vorurteile abgebaut werden können und konkrete Erfahrungen von Begegnung möglich werden.“

Freiburg, 14.07.2015

Fachkontakt

Birgit Schuhmacher (Dipl.-Soziologin)
Geschäftsführung Wissenschaft AGP Sozialforschung im FIVE e.V. an der EH Freiburg
Bugginger Strasse 3879114 Freiburg
Tel.: 0049 – (0)761 / 47812 85;
Fax: 0049 – (0)761 / 47812 699
Birgit.schuhmacher@eh-freiburg.ekiba.de

www.agp-freiburg.de AGP Sozialforschung ist ein Institut im Forschungs- und Innovationsverbund an der Evangelischen Hochschule Freiburg FIVE e.V.

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