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Nachruf auf Altrektor Prof. Dr. Joachim Walter

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Prof. Dr. Joachim Walter; Foto: Michael Bamberger

Die Evangelische Hochschule Freiburg trauert um Professor Dr. Joachim Walter, der am 21. April 2020 gestorben ist.

Joachim Walter war von 1992 bis 2002 Rektor der damaligen Evangelischen Fachhochschule Freiburg für Soziale Arbeit, Diakonie und Religionspädagogik, heute Evangelische Hochschule Freiburg. Seit 1981 lehrte der Diplompsychologe und Theologe als Professor für Psychologie an der Hochschule, vor allem in den Fächern Sozialpsychologie, Entwicklungspsychologie, Arbeit mit behinderten Menschen, Soziale Gerontologie und Diakoniewissenschaft.

Vom 1. Oktober 2002 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand war Joachim Walter Vorstandsvorsitzender und zugleich Fachlicher Leiter der Diakonie Kork, einem Epilepsiezentrum mit Spezialkliniken, Wohnstätten, Werkstätten und Schulen mit über 1000 Mitarbeitenden.

Rektorin Prof.in Dr.in Renate Kirchhoff: „Professor Joachim Walter wurde in seiner zehnjährigen Amtszeit als Rektor von 1992 bis 2002 zwei Mal wieder gewählt. Das ist ein Bekenntnis zu einer Führung in einer Zeit enorm herausfordernder politischer und hochschulpolitischer Kontroversen, die in hohem Maße die Soziale Arbeit betrafen. Die Evangelische Hochschule etablierte in den 80er- und 90er Jahren – deutlich früher als vergleichbare Fachhochschulen – interdisziplinäre Forschung zum Beispiel zu Geschlechterfragen mit klaren Wertbezügen für Fachpraxis, Wohlfahrtsverbände, Kirche, Stiftungen, die Kommunal-, Landes- und Bundespolitik. Sie erreichte 1999 im Hochschulranking des Spiegel Platz 1 unter allen Fachhochschulen in kirchlicher Trägerschaft und Platz 2 unter den deutschen Fachhochschulen des Sozialwesens. Wir sind Joachim Walter sehr dankbar für die Übernahme von Führungsverantwortung in einer Zeit der Hochschulexpansion und der Verteidigung des kritischen Diskurses gesellschaftlicher Werte.“

Joachim Walter studierte Evangelische Theologie und Psychologie in Berlin und Tübingen. Nach beruflicher Tätigkeit als Vikar, unter anderem in der Abteilung Gesellschaftsdiakonie in der Evangelischen Akademie Bad Boll, Standort Herrenberg, und Tätigkeit als Diakoniepfarrer wechselte er 1974 in die Gustav-Werner-Stiftung in Reutlingen. Zunächst war er Fortbildungs- und Öffentlichkeitsreferent, später übernahm er die Leitung der Behindertenhilfe der Gustav-Werner-Stiftung, einer Einrichtung mit 11 Heimen, Wohngruppenverbunden sowie Werkstätten für Behinderte mit rund 800 Plätzen.

Schon früh deutete sich an, welchem Thema er sich in seinem beruflichen – und akademischen Werk verschreiben würde. Sowohl in seiner Diplomarbeit 1978 als auch in der späteren Dissertation, mit der er 1985 an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen promoviert wurde, befasste er sich – unter verschiedenen wissenschaftlichen Fragestellungen – mit der sexuellen Selbstbestimmung geistig behinderter Menschen.

Joachim Walter veröffentlichte zahlreiche Fachpublikationen insbesondere zu Themenfeldern der Sexualpädagogik bei Menschen mit einer geistigen Behinderung: unter anderem war er Herausgeber von “Sexualbegleitung und Sexualassistenz bei Menschen mit Behinderungen“, erschienen in erster Auflage 2004. „Sexualität und geistige Behinderung“ erschien von ihm herausgegeben erstmals 1985, 2005 dann in sechster Auflage. Das Werk wurde zu einem grundlegenden Reader in Heilpädagogik und Behindertenarbeit.

„Professor Walter hat sich immer ein sehr hohes Maß an nebenberuflicher ehrenamtlicher Arbeit zugemutet: im Interesse von Menschen, die unterstützende Begleitung brauchen und für Institutionen, die diese Hilfeaufgaben entwickeln und organisieren. Vor allem ist hier sein Engagement für den Diakonieverein Freiburg-Südwest e.V. zu nennen, einem wichtigen Kooperationspartner der Hochschule insbesondere in der Freiburger Stadtteilarbeit und einem unmittelbarem Nachbarn auf dem Campus in Freiburg-Weingarten. Folgerichtig wurde sein besonderer Einsatz 2001 mit der Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet“, führt Rektorin Prof.in Dr.in Renate Kirchhoff aus.

Professor Walter wirkte im Interesse der Hochschule in einer Vielzahl von wissenschaftlichen, kirchlichen und kommunalen Fachgremien und Institutionen mit. Diese intensive Vernetzung kam der Hochschule zugute, zum einen als eine Hochschule in Trägerschaft der Evangelischen Landeskirche in Baden, zum anderen als wissenschaftliche Akteurin in einer sich vor allem mit Blick auf die Soziale Arbeit und Sozialpädagogik zunehmend ausdifferenzierenden Bildungslandschaft.

Joachim Walter war Mitbegründer und Vorsitzender der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft (PSAG) im Landkreis Reutlingen, einem freien Zusammenschluss aller Träger und Institutionen sowie Interessierten an der Arbeit mit Psychisch Kranken nach einem Vorschlag der Psychiatrie-Enquête. Er war Mitglied in der Fachkommission Sozialwesen der Berufsakademie in Baden-Württemberg, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Gesellschaft für Sexualerziehung und zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten Baden-Württemberg e.V. sowie ebenfalls Mitglied der Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie (GwG), seit 2012 Gesellschaft für Personzentrierte Psychotherapie und Beratung e.V. Darüber hinaus wirkte er im Wissenschaftlichen Beirat der Gesellschaft für Sexualerziehung Baden-Württemberg mit.

Im Jugendhilfeausschuss der Stadt Freiburg vertrat er die Evangelische Hochschule von 1994 bis 1999 als Ordentliches Mitglied. Zuvor war er aktiv im Vorstand von Pro Familia Freiburg und als Mitglied in der Arbeitsgruppe AIDS, berufen vom Bundesvorstand der Bundesvereinigung Lebenshilfe für geistige Behinderte e.V.

In der Freiburger Bezirkssynode und im Bezirksausschuss Diakonie war er als Mitglied tätig. Das Diakonische Werk Baden beauftragte ihn, als wissenschaftlicher Begleiter an der Konzeptionsentwicklung der Arbeit der Kreisstelle für Diakonie im Dreisamtal und Kaiserstuhl mitzuwirken. Zudem brachte er sich in Kooperationen mit der Diakonischen Akademie Stuttgart und anderen Diakonischen Werken auf Landes- und Ortsebene als Fachreferent für Fragen der Behindertenarbeit, insbesondere der Erwachsenenbildung bei geistiger Behinderung, Sexualpädagogik und der Organisationsentwicklung in Heimen ein.

Sein an Jahren längstes Engagement widmete er dem Diakonieverein Freiburg-Südwest, früher Diakonieverein der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde e.V., zu dem zwei Kitas, ein Kinderhaus, Mobile Jugendarbeit, ein Jugendzentrum sowie ein Nachbarschaftstreff gehören. Ab 1986 war Joachim Walter Vorstandsmitglied des Diakonievereins, von 1987 bis 2001 und wiederum seit 2011 1. Vorstandsvorsitzender.

Unsere Gedanken sind bei seiner Ehefrau Renate Walter und seinen zwei Kindern mit ihren Familien.

Für die Evangelische Hochschule Freiburg

Professorin Dr.in Renate Kirchhoff
Rektorin

24. April 2020

Wir verändern Gesellschaft