ev.olve - 02/2022
B: Na bitte, das lob ich mir. Die Herrschaft des NonProleta riats, der Lebenskünstler und Tunichtguten. Aber wen beuten die aus? Zeit ist doch keine Ware, keine Mehrwertkategorie? Außer literarisch bei Michael Endes „Momo“. A: Auf das Verhältnis kommt es an. Wer viel Zeit für wenig Geld aufwenden muss, wird ausgebeutet. Wer mit wenig Zeit viel Geld macht, der ist Nutznießer dieser Ungleichverteilung und damit der Profiteur und Ausbeuter. B: Mit anderen Worten: Wer intelligent ausbeutet, schafft es, Selbstoptimierung als Freiraum zu verkaufen. Die gefühlte Freiheit, die perfekte Verarsche. Aber noch mal der Topmana ger. Der wendet viel Zeit für viel Geld auf. Oder? Ist die Balance nicht nur eine andere Währungseinheit für Heteronomie? A: Nein, eher nicht. Das ist ja das Missverständnis. Es gibt die Eliten und die Arbeitenden. Gab es schon immer. Selbst unter Managern gibt es Unterschiede, wie schon Schumpeter wuss te: Die Kapitalisten und die Unternehmer. Wer mit viel Zeit viel Geld erwirtschaftet, ist nicht das Problem. Wer mit wenig Zeit wenig Geld erwirtschaftet, auch nicht, wohl aber, wer mit wenig Zeit viel Geld erwirtschaftet, indem er gleichzeitig die Steuerungsfähigkeit der anderen einschränkt. In der Ära der Vereinbarkeit geht es um die Verteilung eines alten Gerechtig keitspostulats: Aufwand und Ertrag, aber nicht einseitig mit Blick auf die Aufwandsseite, das wäre Effizienz. Auch nicht ein seitig mit Blick nur auf die Ertragsseite. Das wäre Effektivität. Nicht nur die Ungleichverteilung des Aufwands oder des Er trags allein macht die Ungleichheit aus, sondern: „Wer herrscht über die Gesamtgleichung?“ Diese gilt es zurückzuerobern. Erst recht jetzt, wo wir auf null Emissionen kommen müssen. B: Verstehe ich nicht. A: Schauen Sie, ein Beispiel: Zwischen Kohlenstoffemissionen und Arbeitszeit gibt es einen eindeutigen Zusammenhang, das wusste man übrigens auch schon vor Corona. 2 Eine Reduzie rung der Arbeitszeit könnte also nicht nur Zeit gerechter vertei len, sondern auch CO₂-Neutralität befördern. Mit einer gerech ter verteilten Lebenszeit würden wir also doppelt nachhaltig leben, gesünder für uns selbst und gesünder für den Planeten. B: O.k., o.k., aber könnten Sie das bitte nicht „Nachhaltigkeit“ nennen? „Nachhaltigkeit“ mag ich nicht, das klingt so konser vativ, bewahrend, konservierend. Wir sollten aber nicht das bewahren, was uns hierhergebracht hat, an den Rand der Apo kalypse. Wir brauchen kein Verrechnen oder Abschreiben von Ressourcenverbrauch, sondern eine Umkehr des Ressourcen verbrauchs. Wenn es dazu nicht schon längst zu spät ist … Zeit ist ein Faktor, der in der Wachstums ökonomie eine eben so wichtige Rolle spielt wie andere natürliche Ressourcen. ev.olve 2 4
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