ev.olve - 02/2022

Psychische Erkrankungen sind immer noch ein Tabuthema. Welche regionalen Angebote fehlen Menschen mit Psychiatrieerfahrung? Und wie ließe sich aus ihrer Sicht die gesellschaftliche Akzeptanz erhöhen? Herr Frank, was ist unter Gemeinde- psychiatrie zu verstehen? Gemeint ist ein spezifisches Ver- sorgungssetting. Die Unterbringung von psychisch erkrankten Personen in stationären Einrichtungen wurde seit den 1970er-Jahren immer wieder kritisch thematisiert, zum Beispiel mit der so- genannten „Psychiatrie-Enquete“. Dort wurde gefordert: „Raus aus den Heimen, raus aus den Kliniken.“ Daraus hat sich die Sozialpsychiatrie entwickelt, die auch soziale Komponenten einer psychischen Erkrankung in den Blick nimmt und die Einbindung von Menschen in ge- sellschaftliche Zusammenhänge. Die Gemeindepsychiatrie knüpft daran an und konzentriert sich auf Personen mit schweren oder chronischen psychischen Erkrankungen, die in ihrer Teilhabe ein- geschränkt werden. Idealerweise sind Angebote der Gemeindepsychiatrie am- bulant und dort, wo die Menschen auch leben und arbeiten. Das sind zum Bei- spiel Tagesstätten und Begegnungsange- bote, ambulant betreutesWohnen oder niedrigschwellige Beratungsangebote. Das Projekt trägt den Zusatz „Post- kartenbefragung“. Was heißt das? Unsere Befragung soll so knapp wie möglich sein, um viele Personen zu erreichen. Sie soll tatsächlich auf der Vorder- und Rückseite einer Postkarte Platz haben. Das entlastet auch die Mitarbeitenden in den Einrichtungen, die eventuell beim Beantworten unter- stützen müssen. Warum arbeiten auch Studierende bei diesem Forschungsprojekt mit? In unserem Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit sind Studienprojekte im fünften und sechsten Semester Pflicht. Das sollen keine „Sandkastenprojekte“ sein, sondern solche, die zu wissen- schaftlichen Erkenntnissen führen und politische sowie praktische Implika- tionen mit sich bringen können. Auch dieses Projekt ist wieder ein besonders gutes Lernfeld für die Studierenden, da dahinter ein echter Auftraggeber steht. Was erhoffen Sie sich langfristig von dem Projekt? Wir möchten eine Sensibilisierung für die Perspektive von Psychiatrieerfah- renen erreichen. Und natürlich ist das Projekt auch gelebte Partizipation: Die Befragten werden gehört, indem sie ihre Erlebnisse in der Gesellschaft beschrei- ben. Wir fragen ja nicht nur, was ihnen an Angeboten fehlt, sondern auch, was sich gesellschaftlich ändern müsste, damit für sie Teilhabe und Akzeptanz besser klappen. Lisa Joan Gabauer Teilhabe von Psychiatrieerfahrenen stärken 1 9

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