ev.olve - 01/2022

AlsWissenschaftler*in den eigenenWeg zu finden, ist eine große Herausforde- rung. Anke Stallwitz, Professorin für Sozialpsychologie an der EH Freiburg, hat sich einen Namen als Spezialistin für Drogenszenen in internationalen Kontex- ten gemacht. Wie ist ihr das gelungen? Ein Blick zurück. Anke Stallwitz hat ihr Lebensthema bereits vor dem ersten Semester gefunden: Nach der Schule machte sie als 19-Jährige ein Pflegepraktikum in einem Kranken- haus. Dort gab es auch eine Drogenentzugsstation. Stallwitz verliebte sich in einen heroinabhängigen jungen Mann, der nach seinem Entzug auf ihrer Station gelandet war. Die Beziehung hielt nur zwei Monate, doch sie prägte die junge Frau fürs Leben: „Ich war danach fix und fertig und habe viele Fragen gehabt: Wieso hat er mich so herabwürdigend behandelt?War das die ‚böse‘ Droge Heroin? Seine harte Kindheit? Oder einfach seine Persönlichkeit? Ich wollte diese Fragen klären.“ Heute, über 20 Jahre später, sind Verhaltensweisen und -normen im Drogenmilieu ein Forschungsschwerpunkt der Sozialpsychologin. Private Fragen sind zu Forschungs- fragen geworden. Was im Rückblick wie eine gerade Linie von A nach B aussieht, war ein Suchen und Finden mit Umwegen: eine Mischung aus persönlichen Ent- scheidungen, Inspirationen, Hartnäckigkeit, Glück und Risikobereitschaft. Start in Schottland Beim Einstieg in die akademischeWelt interessiert Anke Stallwitz zunächst ein an- deres Fachgebiet. Vor der Sozialpsychologie probiert sie die Politikwissenschaft aus: „Ultraspannend, aber ich hatte einfach den Eindruck, ich bin zu weit weg von den Menschen.“ Der zweite Anlauf führt die gebürtige Hagenerin heraus aus Deutsch- land. Von 1997 bis 2001 absolviert sie im schottischen Glasgow an der Caledonian University den Bachelorstudiengang Psychologie (Honours). Im zweiten Semester macht sie ein für sie wegweisendes Praktikum in einer Drogenberatungsstelle und arbeitet dort weiter bis zu ihrem Studienende. Lebensnah und praktisch zu arbeiten, war für sie genau das Richtige: „Die Arbeit mit Drogenabhängigen hat mir vor Au- gen geführt, dass ich in dieses Feld tiefer einsteigen möchte.“ Nach dem Studium bleibt sie noch ein Jahr in der schottischen Drogenberatung, arbeitet in Glasgow und auf den Shetlandinseln. Für Stallwitz ist die Rolle als Drogenarbeiterin kein Kontrast zum akademischen Leben, sondern eine Ergänzung: „Für mich war klar: Ich brauche den Praxisbezug, um mit den Erfahrungen von der Straße und der Szene in die Forschung zu gehen.“ Im Lauf der Zeit wird ihre Vorstellung vom idealen Arbeitsumfeld noch um eine Fa- cette reicher, denn ihr wird klar: Die eigene Forschung soll über die Fachwelt hinaus Relevanz haben. Anke Stallwitz will „mindestens auf einer lokalpolitischen Ebene“ etwas verändern. „Ein Kollege war in einer Schnittstelle tätig, in der er Praxis und Forschung zusammenzubringen sollte, und im Prinzip auch noch Politik. Das fand ich total attraktiv. Da habe ich das erste Mal diese Idee gehabt: Ich möchte eine Arbeit haben, mit der ich diese drei Dinge zusammenbringen kann.“ MeinWeg: Anke Stallwitz „Ich brauche den Praxisbezug, um mit den Erfahrungen von der Straße und der Szene in die Forschung zu gehen.” Prof.in Dr.in Anke Stallwitz ev.olve 4 5 Anke Stallwitz

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